Härke – Eines der wohl schönsten Sudhäuser der Welt

Härke

Auf meiner Suche nach dem Shangri-La der Brauereien hat es mich nach Niedersachsen ins rund 50.000 Einwohner Städtchen Peine verschlagen. Bei meinem Besuch des Einbecker Brauhauses hatte ich von dem wunderschönen, sagenumworbenen Sudhaus der Brauerei Härke gehört. Aufgrund genau dieses Sudhauses wurde Härke  2013 mit stattlichen 70.000 hl vom Einbecker Brauhaus geschluckt. Dazu später mehr. Alles begann 1890 als Ernst Härke die damalige Raul`sche Brauerei am Standort des heutigen Härke Brauereiausschanks erwarb. Die heutigen denkmalgeschützten Gebäude der Brauerei…

…wurden zwischen 1927 und 1935 nach den Plänen von Architekt Anton von Norden erbaut. Der damalige Zeitzeuge Alfred Striemer meinte schon, dass es sich um „eines der schönsten Brauereigebäude, die es im Lande gibt“ handelt. „Ein Hochbau, in roten und schwarzen Klinkern, von prachtvoller architektonischer Wirkung“. Auf der einen Seite wunderschön anzusehen und mit Sicherheit ein einzigartiges Industriedenkmal. Auf der anderen Seite eine große Bürde aufgrund der begrenzten Nutzungsmöglichkeiten für den neuen Eigentümer. Die Nachwelt wird sich jedoch freuen, dass auf diesem brauhistorischen Stückchen Erde nicht der gefühlt hundertmillionste austauschbare Konsumtempel gebaut wurde. Auch das gusseiserne Brauereitor zum Bierglück bleibt hoffentlich für die nächsten Generationen erhalten…

In der ehemaligen Bierstadt Peine ging es urkundlich belegt 1356 mit dem Brauen los. 1798 gründete die Familie Düvel die Vorläuferin der heutige Härke Brauerei und bewirtschaftete diese bis 1832. Von 1832 bis 1890 braute die Familie Raul. Von 1890 bis 2013 die Familie Härke mit den letzten Geschäftsführern der Familie, Mathias und Martin Härke. Erst 1907 wurde übrigens von Raulscher Brauerei auf Brauerei Härke umfirmiert. Laut Biersteueraufzeichnungen aus dem Jahre 1875/76 weiß man, dass zu dieser Zeit vier Brauereien in Peine gebraut haben. Empfangen hat uns die Cousine meiner Frau, die liebe Nicky, die verantwortlich für die Brauereiführungen ist.

Nach einer sehr interessanten Einführung durch die Geschichte der Brauerei hat sie uns direkt ins Herz der Begierde geführt…

2008 haben die Gebrüder Härke die Modernisierung ihres Sudhauses in Angriff genommen. Mit dem Ziel, eines der schönsten Sudhäuser in Deutschland zu realisieren…

…was ihnen auch tatsächlich gelungen ist. In mehr als 800 Stunden wurden die alten Kupferhauben händisch aufpoliert. Noch heute ist es keinem Besucher erlaubt, ohne Stoffhandschuhe die Bierkathedrale zu betreten. Pfannentätscheln wird mit sofortigen Handabhacken vor Ort bestraft…

1890 brauten die Härkes nach dem Erwerb 3.000 hl im Jahr. Nach dem 1. Weltkrieg waren es schon 10.000 hl, zum 100 jährigen Jubiläum 1990 sagenhafte 160.000 hl. Dieser Jahresausstoß entspricht der Wegstrecke von Peine nach Kairo, wenn man sich die Mühe macht, diese Menge in 0,33 l Flaschen abzufüllen und aneinander zu reihen. Das Innenleben der ehrwürdigen Gefäße wurde mit modernster Technik ausgestattet..

Leider hat die Sudhausmodernisierung und die damit nicht planbaren, überhöhten Kosten, neben Absatzproblemen die Brauerei in die Insolvenz getrieben. Manchmal ist das Brauerleben wirklich mehr als traurig und tragisch. Neben unendlichem Leid für die Eigentümerfamilie hat dieses Unglück auch eine andere Seite. Denn was gibt es Erfüllenderes,  als in diesen so schönen, energiereichen Räumlichkeiten sein eigenes Feng Shui zu finden…

Bei der Brauereiübernahme 1890 braute die Familie Härke nur dunkles, trübes Bier Wiener Brauart. Zu dieser Zeit wurde die Sudpfanne direkt mit Holz befeuert, bevor diese durch eine gusseiserne Doppelpfanne mit indirekter Dampf- oder Heißwasserbeheizung abgelöst wurde.  Kupfer löste das Gusseisen später wegen der höheren Leitfähigkeit ab. In der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg wurden aufgrund der Nachfrage nach hellen, blanken Bieren ein Export Dortmunder Typs und Pils gebraut, welche aufgrund der Filtration haltbarer waren und sich dadurch auch für weitere Vertriebswege eigneten. Während der britischen Besatzungszeit nach dem 2. Weltkrieg gab es aufgrund der Wünsche der Engländer sogar ein untergäriges Porter (heute klassisch obergärig), das nach dem Krieg kurzerhand in einen Doppelbock verwandelt wurde. Die Kupfergefäße des heutigen Sudhauses wurden ursprünglich 1962 vom damals größten Sudhaushersteller der Welt eingebracht…

Die Geschichte der Weigelwerke Neisse-Neuland ist eine ganz interessante. 1830 wurde eine kleine Kupferschmiede von Ferdinand Weigel in Grottkau gegründet. Der erste Sudhausauftrag kam 1886 von Josef Milde aus Friedland in Oberschlesien. Die Qualität sprach sich in Windeseile herum. Diese und zahllose Patente vom Dampfkessel 1880  über den 1892 eingetragenen „Maisch- und Läuterbottich mit herausnehmbaren Senk- oder Läuterboden in Schalenform“ bis zum 1901 beschriebenen Hopfenseiher – Montejus waren Meilensteine für den späteren Erfolg. Die Sudhäuser mit den Maischefiltern fanden in unzähligen Brauereien in Europa Einzug. 2002 wurde das Werk ZUP Nysa in Polen geschlossen. Aus dem volkseigenen Betrieb Nordhausen wurde 1990 der Apparatebau Nordhausen GmbH, der heute Komplettsudhäuser von 10 hl bis 650 hl Ausschlagmenge baut. Die Schaltzentrale wurde futuristisch in den historisch modernen Gesamtkontext eingebettet. Einmalig schön.

Nach dem wohl einzigartigen Gänsehaut – Erlebnis  ging es in den ehemaligen Schalander zur Verkostung…

Ganz klar mein Favorit, das Härke…

Die Biere sind durch die Bank weg 1 A, super lecker und mega bekömmlich, so dass es keines….

… bedarf.

FAZIT: Liebe Nicky, danke, dass du uns den Weg zum Glück möglich gemacht hast.

Die Kieler Sprotte – Lillebräu

Brauerei Lille

Puuhhh, was für eine lange Bloggerpause… Eure Emails und Nachfragen haben mich motiviert, mal wieder loszulegen. Und zwar als Erstes bei der 2018 neueröffneten Lillebräu in der Fördestadt Kiel, die ich mit der besten Frau der Welt im Rahmen unserer Deutschland – Bierreise im Juni dieses denkwürdigen Coronajahrs besucht habe. Auf meine Anfrage hin hat mich Mitgründer und Inhaber Max Kühl eingeladen und dann gar nicht „kühl“ bei sich in Kiel in seinen heiligen Hallen empfangen.

Kiel verlor durch den Umzug von Holsten 1986 nach Hamburg seine letzte Brauerei. Nicht nur das war für die beiden Lillejungs Antrieb genug, 2015 biermäßig in der fröhlichsten Stadt Norddeutschlands wieder loszulegen. Gebraut wurde bis zur Eröffnung der Braustätte kuckucksmäßig im Brauhaus Hartmannsdorf. Heute ist Lillebräu mit 3.000 hl p.a. eine der 15 aktiven Braustätten im nördlichsten Bundesland Schleswig-Holstein. Number one ist die Flensburger Brauerei mit um die 550.000 hl Jahresproduktion gefolgt von der Ditmarscher Brauerei mit ca. 200.000 hl.

Gebraut werden die Biere auf dem Rabek Sudhaus ganz nach dem Willen von Max 100% unique. Will heißen, weder nach mainstream, noch austauschbar oder langweilig. Bei der Auswahl der Zutaten z.B. gibt sich Max richtig Mühe. Bei meinem Liebling, seinem mit 38 IBU lecker gehopften nordischen Pilsträumchen, bezieht er die Hopfensorten Magnum, Saazer und Tettnanger direkt von der Familie Locher aus Tettnang. Die dafür verwendeten Malzsorten Pilsner-, Melanoidin- und Caramalz bekommt er von der Rhönmalz aus der wunderschönen Rhön und Bestmalz aus Heidelberg. Im Gärkeller vergoren und gelagert wird neben dem Pils auch das ausstoßstärkste Gebräu, für Norddeutschland eher überraschend–das Helle, außerdem Weizen, Stout, Lager bis zum IPL, dem Indian Pale Lager und viele mehr…

Eine Brauerei ist sehr kapitalintensiv. Die meisten Banken lassen bei den Brauern wie bei den Gastronomen schnell die Rollläden runter, bevor sich diese Zünfte bis auf einen Kilometer an ihre Geldhäuser annähern. Und so hat Max sich 2017 mit der Ausgabe von  Genußscheinen an 666 Kieler Bierinteressierte finanziert. Genial für alle Beteiligten, denn die Kieler, die das bierige Unterfangen finanziell unterstützt haben, werden hierfür reichlich belohnt. Und zwar mit 12 Flaschen Bier pro Jahr wird die Verzinsung versüßt. Getilgt wird über 25 Jahre. So finanziert sich die Brauerei unabhängig vom Finanzmarkt und bindet potentielle Bierlover an die Brauerei.

 

On top werden die Unterstützer auf den Lagertanks namentlich gewürdigt…

Dieser konsequente Regionalansatz ist der Schlüssel für den Erfolg von Lille. Ich habe schon sehr viele neue Craftbierbrauereien gesehen, keine hat sich so der Regionalität verschrieben. Die leckeren Lillespezialitäten werden im brauereieigenen Schankraum,..

… in 70 Gastrobetrieben und über den regionalen Fachhandel vertrieben. Wenn es eng wird, fährt der Cheffe Max persönlich mit seinem Jumper zu den Kunden. Doch vorher muss das Bier in die bottle.

Die Leibinger Flaschenabfüllung ist echt tricky. Kompakt ohne viel Schnickschnack findet das Gebräu sauerstoffarm den direkten Weg in die Flasche. Max ist als studierter Kommunikationsdesigner ein echter Kommunikationsheld. Die 2 Millionen Medienkontakte sprechen für sich und die Etikettenlinie zeichnet sich durch eine tolle Wiedererkennung aus.

Mein Fazit: Kiel – Kieler – Lille. Chapeau lieber Max und weiterhin viel Erfolg.

 

Die Lahnsteiner Brauerei – dem Grutbier auf der Spur

www.Lahnsteiner.de

War vor zwei Wochen mit meinem Lieblingsbrauereibesichtigungskumpel Olly Koblenzer am wunderschönen Rhein in Rheinland-Pfalz. In diesem Bundesland gibt es nur 15 Brauereien. Direkt neben Koblenz, in Sichtweite zur Koblenzer Brauerei, liegt das schöne Städtchen Lahnstein. Jaja, die Koblenzer Brauerei, eine wechselhafte Geschichte. Früher bekannt als Königsbacher Brauerei, übernahm 1992 die Karlsberg Brauerei Homburg die Braustätte. Seit 2010 gehören nun die Markenrechte vom Königsbacher Bier und dem „Netten Edel Pils“ zum Bitburger Konzern. Die Brauerei blieb bis 2012 bei Karlsberg und wurde dann an zwei Koblenzer Geschäftsleute verkauft. Heute brauen sie noch ca. 100.000 hl, davon je 30% unter dem Namen Koblenzer und Königsbräu. Aber darum geht es ja heute gar nicht. Sondern um Dr. Markus Fohr, seines Zeichens Inhaber der Lahnsteiner Brauerei, und seine Braustätte. Markus hat uns am Wahrzeichen seiner Brauerei empfangen, dem 1411 erbauten Brauereiturm…

Die Geschichte der Brauerei ist untrennbar mit der der Familie Fohr verbunden. Seit 1667 brauen die Fohrs in Lahnstein ihr Bier. Somit ist dem Markus das Brauen in die Wiege gelegt worden, der nun in der 10. Generation seit 1999 Bier aus Lahnstein braut. 1969 geboren, hat Markus hat seine Brauerlehre im elterlichen Betrieb absolviert. Danach ging es von 1990 bis 1998 zum Studieren nach Weihenstephan mit dem Abschluss Dipl. Ing. für Brauwesen und Getränketechnologie.  Den Doktortitel hat er sich unter seinem Doktorvater Meyer-Pittroff im Bereich Energietechnik erarbeitet.

Vor Eintritt in die elterliche Brauerei war er 1,5 Jahre bei der Bitburger tätig, bei der er durch Neuverhandlung der Stromeinkäufe 1 Mio DM einsparen konnte und auch im Marketing und Vertrieb unterwegs war. Seit 2011 ist er ausgebildeter Biersommelier, 2018 wurde er zum Deutschen Meister dieser Zunft gekürt. Die Biersommelier-Ausbildung hat auch die Entwicklung der Brauerei stark beeinflusst. Bei seinem Eintritt 1999 wurde in der ehemaligen St. Martin Brauerei in Lahnstein nur untergärig mit Pils als Hauptsorte gebraut. 2007 wurde die St. Martin Brauerei in Lahnsteiner Brauerei umgetauft und seit der Biersommelierausbildung werden neben den klassischen Bieren auch Craftbiere gebraut. Los ging die Brauereireise mit zufällig gleicher Oberhemdenfarbe im 1961 erbauten Ziemann Sudhaus…

Die Jakob Carl Steuerung, die wir auch bei uns in Böblingen hatten, war eine der ersten in Deutschland und verrichtet auch heute noch treu ihren Dienst.

2002 wurden die Sudgefäße runderneuert und der Innenkocher in Eigenplanung durch Markus und einen örtlichen Schlosser neu organisiert. Genial.

Die Lahnsteiner Brauerei braut heute ca. 25.000 hl Bierspezialitäten mit 13 Festangestellten und einigen Aushilfen, Respekt! Die Hauptsorte ist nach wie vor das Pils mit seinen 30 Bittereinheiten. Markus setzt ganz bewusst und aus brautechnischer Überzeugung nach wie vor auf den bewährten Bitterhopfenextrakt, um den seit Jahrzehnten geliebten Geschmack nicht zu verändern. Gefolgt wird das Pils von den obergärigen Bieren Lahnsteiner Altbier und dem Obergärigen nach rheinischer Brauart, das Markus aufgrund der Kölschkonvention von 1985 nicht Kölsch nennen darf. Vergoren werden die großen Sude im Jakob Carl Gärtank…

Die kleineren Sorten werden im Miniaturgärtank vergoren. Das Kirschbier mit Kirschnektar und das Honigbier unter Zugabe von Blütenhonig…

Die Brauerei ist im Besitz mehrerer kathedrahlenhafter Türme: Gär- und Lagertanktürme…

… sowie dem Wahrzeichen, dem Brauereiturm,…

… der ab sofort auch die neuen Etikettenlinie ziert…

Am 4.6.2019 war ein ganz besonderer Tag. Da hatte Markus seinen 50. Geburtstag. Und genau zu diesem Anlass hat sich Markus selbst sein schönstes Geburtstagsgeschenk gemacht: Eine nagelneue 10 hl Craftbierbrauerei. Ganz unter dem Motto „Craftbier zum Austoben“. Leider ist sie bei meinem Besuch wieder abgebaut, da sie von Markus einen neuen Boden spendiert bekommt…

Die neue Brauanlage stammt aus dem Hause Speidel. Dem Sudhaus hat der Markus die Kinderkrankheiten, nach anfänglich ordentlich Bauchschmerzen, mittlerweile ausgetrieben…

… dafür gären die Rauchbiere, IPA´s, Porters, diversen Festbiere und das Donka (ein untergäriges Vollbier, gereift auf bulgarischen Eichenholzchips und bulgarischem Wildthymian, benannt nach Donka Fohr, Markus´ Ehefrau) zuverlässig in den dazugehörigen Gärtanks.

Mein Favorit ist das Grutbier. Kein Braumeister in Deutschland hat über diesen mittelalterlichen Bierstil  so intensiv Nachforschungen betrieben und hierüber einen eigenen Forschungsbericht veröffentlicht. Markus ist im übrigen Nebenberufsjournalist mit schon über 230 Veröffentlichungen und Büchern. Sein Grutbier, dessen Entwicklung von der Fachhochschule Trier unterstützt wurde, würzt er mit Zitronengras, Rosmarin und Anis, der Drinkability wegen. Als Bierbasis dient ein obergäriges Gebräu, die Gewürze werden im Lagertank gestopft. Geiler Stoff, echt seltenes Bier. Ein MUST HAVE!

Mein Fazit: Grutbier ist wie mit dem Ur- Ur- Ur- Uropa Bier trinken–Grut ist gut! Cheers.

 

Staatsbrauerei Rothaus – Zur Audienz in den vergoldeten Bierpalast

Rothaus

Hand auf´s Herz: Um diesen Besuch habe ich mich lange gedrückt. Denn die Staatsbrauerei Rothaus und deren Inhaber gehört aufgrund ihrer Rolle und Vorgehensweise im Biermarkt nicht unbedingt zu den besten Kumpels unserer Zunft. Nun habe ich, auf gutes Zureden von meinem Bierbruder Olly, doch meinen ganzen Mut zusammen genommen und bin mit ihm in den Südschwarzwald gefahren. Die wunderschöne idyllische Gegend ist mir nicht unbekannt, da ich meinen guten Freund Dieter Schmid, Cheffe und Inhaber der nur zwanzig Kilometer entfernten Waldhaus Brauerei, dort schon öfters besucht hatte.

Meine Bierneugier hatte also am Ende doch gesiegt und so näherten wir uns spannungsgeladen und voller Vorfreude an das Corpus Delicti an und wurden gleich eindrucksvoll begrüßt.

Auf beschilderten Wegen wurden wir in das Besucherzentrum geleitet. Nach dem Eingang fanden wir  uns gleich im Rothaus Shop wieder.

Klasse gemacht. Viele Fanartikel sind hier käuflich zu erwerben. Von Biergit Socken, Schlüsselanhängern, Luftmatratzen, T- Shirts, Weizenzäpfle Grillsauce bis hin zum…

Dann hat uns unser Guide Petra, mit ihrem unvergleichlichen alemannischen Slang, oder besser Rothüserdütsch, super unterhaltsam durch die Brauerei und deren heilige Hallen geführt. Die Brauerei wurde 1791 von den Benediktinern am heutigen Standort neben der Gaststätte „Zum Rothen Haus“ gegründet. 1806 fiel sie im Zuge der Säkularisierung an das Herzogtum Baden. Seit 1892 gibt es Flaschenbier und seit 1950 das berühmte Tannenzäpfle in der 0,33 l Bottle. Die Geschichte der Brauerei mit ihrer Ausstoßentwicklung ist wirklich interessant. Denn der Ausstoß stieg 1862 von ca. 7.000 hl auf 32.000 hl im Jahre 1913, um aufgrund des ersten Weltkrieges 1919 wieder auf 6.900 hl zu sinken. Anno 1922 wurde in sie in eine AG umgewandelt. In den 1980ern wurden um die 300.000 hl gebraut. Nachdem sich die Rothauser Heeresleitung entschlossen hatten, die Schleusen  auch Richtung Württemberg zu öffnen, verdreifachte sich der Ausstoß auf ca. 900.000 hl.  Diese Mengenexplosion war wohl auch eine erste Gegenentwicklung hin zur Regionalisierung auf die damals schon einsetzende Globalisierungsbewegung um Becks, Warsteiner, Bit und Co Anfang/Mitte der neunziger Jahre.  Dieser Trend zur Regionalität hat sich bis heute verstärkt und so geht nun, aufgrund der Beliebtheit der kleinen Regionalbrauereien, der Ausstoß der heute zweitgrößten Brauerei in Baden Württemberg in den letzten Jahren wieder bergab. Trotzdem wirft der Staatsbetrieb immer noch fette Dividenden an das Land ab. Bei ca. 77 Mio. € Umsatz wird ein fetter Gewinn i.H.v. ca. 11 Mio. ausgewiesen. Da freut sich das Land. Bei den Erträgen wurde das Investieren nicht vergessen. 2006 wurde das wunderschöne neue Sudhaus in Betrieb genommen.

Und investiert wurde in der Vergangenheit schon richtig. Neben der Produktivität wurde auch immer auf Ästhetik geachtet…

Die Brauerei verfügt mit ihren 64 Gär- und Lagertanks über 110.000 hl Tankvolumen. Vergoren werden die untergärigen Biere bei 10°C, die obergärigen Biere bis 20°C. Gereift wird das Bier kalte vier Wochen lang bei -2°C, denn der Gefrierpunkt bei 5 vol.% igen Bieren liegt ja bekannterweise bei -2,2°C.

Die Tanks sind Baujahr 1999 und von Ziemann – Bauer gefertigt worden. Der Gärkeller hat schon fast eine kathedralenhafte Anmutung…

Der neue hochmoderne Flaschenkeller mit einer Ausbringungsleistung von 50.000 hl ist vom Allerfeinsten…

… genauso wie die 2011 angeschafte Keganlage mit einer Leistung von 240 Fässern pro Stunde.

Das freut natürlich die Rothaus-Patronin Biergit Kraft. Der Saga nach war sie vor 100 Jahren die Braumeisterstochter und hat ihr Aussehen auf den Etiketten bis heute kaum verändert.

Zum  Abschluss sind wir noch in den Brauereigasthof eingekehrt und haben uns über das leckere Essen und die durchweg sauberen und süffigen Biere gefreut.

Mein Fazit: Bier gibt Kraft, ein Dank an die Biergit.

Nattheimer – Im Reich der kippenden Tanks

Nattheimer

Warum in die Ferne schweifen….? War mit meiner lieben Frau mal wieder auf der Ostalb in Sachen Bier unterwegs. Die Ostalb mit ihren über 10 Brauereien ist ein echter Bier- und Brauerei-Hotspot. Heute geht es in den Landkreis Heidenheim nach Nattheim in die Privatbrauerei Schlumberger. Und diese hat sich als echter Geheimtip entpuppt.

Die Brauerei der Inhaberfamilie Schlumberger  ist ein eigener Ortsteil von Nattheim und steht auf 5 ha brauereieigenem Grund. Wir wurden sehr herzlich im 2007 zum „Deutschlands bester Getränkefachmarkt“ ausgezeichneten Bräumarkt begrüßt. Nach einer Kurzexpedition mit Ulrike Schlumberger durch ihr Einkaufsparadies für Bier- und Weinliebhaber mit einer wohl einzigartigen Geschenkeauswahl ging es mit Brauereichef Heinz Schlumberger direkt ins wunderschöne Sudhaus.

Die Brauereigeschichte der Familie Schlumberger beginnt im Jahre 1847 als Leonard Schlumberger die ehemalige Taverne „Zum Ochsen“ erwarb und dort auch Bier braute. Heute steht der neuerrichtete Brauereigasthof an dieser Stelle, gleich neben dem Sudhaus. Seine Brauerlehre hat Heinz Schlumberger in der ehemaligen Mundinger Brauerei  Offenburg, die 1983 ihre Tore schloss, absolviert. Nach fünf Gesellenjahren in verschiedenen Brauereien leitet er nun schon seit 1971 die Brauerei. 1995 wurde im Sudhaus die Jacob Carl Pfanne installiert, 2015 durch Braukon das restliche Sudhaus erneuert. Ausgeschlagen werden 4 Sude pro Tag mit 80 hl pro Sud. Mit ca. 700 Sud p.a. ist das Sudhaus optimal ausgelastet und produziert somit 56.000 hl feinste Bierwürze im Jahr.

Den Treberabtransport ins 14 m höher gelegene Trebersilo hat Heinz selber entwickelt. Mittels Druckluft wird der Treber in die Silos nach oben katapultiert.

Und dann ging es los. Im obergärigen Gärkeller, in dem die leckeren Bierwürzen in Schnabeltanks ganz klassisch vergärt werden, bin ich auf eine echte Sensation gestoßen. Heinz hat auch da ein wohl ziemlich einmaliges System entwickelt, in dem er seine Tanks durch Hubzylinder während der Hauptgärung kippen kann. Schaut auf die Füsse vorne rechts und links.

Das gleiche System hat er auch bei seinen untergärigen Gärtanks installiert. Hintergrund ist der, dass Heinz möchte, dass der während der Hauptgärung enstehende Kühltrub, der ja bekanntlich nach oben steigt, komplett ausgeschieden wird…..

…und nicht im Bier verbleibt, sondern in den vorgesehenen Wannen landet. Denn durch das Entfernen der Hopfenharze mit dem Kühltrüb entstehen noch feinere, reinere Biere. Genial.

In Nattheim wird bei den untergärigen Bieren „saukalt“ vergoren. Nie wärmer als 8 °C. Das macht die Biere mega bekömmlich und super rein. Mein Liebling ist das Nattheimer Spezial. Rein, süffig und super bekömmlich. Auch die Reinheit und Sauberkeit der Brauerei außen wie innen ist außergewöhnlich. Alles blitzeblank. Gefreut hat mich, dass neben den neuen Gärtanks auch noch die offenen Gärtanks benutzt werden. Was gibt es Schöneres.

Im Filterkeller habe ich meine alte Liebe getroffen. Den Seitz Orion Kombifilter. Ist er nicht schön….

Heinz hat über die letzten 50 Jahre kontinuierlich in seine Brauerei investiert und somit das Fundament für die nächste Generation geschaffen — Sohn Max ist inzwischen nach abgeschlossenen Studium in Weihenstephan mit an Bord! — 1984 wurde die neue Flaschen- und Fassabfüllung auf die grüne Wiese gebaut und mittels einer 180 m langen im Erdreich verbauten  Hostalen Bierleitung mit dem Drucktankkeller verbunden.

Zum Abschluss ging es noch auf Zeitreise durch das bei der Brauerei im ehemaligen Verwaltungsgebäude gelegene Brauereimuseum. Sehenswert.

Mein Fazit: Nattheimer rein und fein. Das Bier, das aus der Kälte kam.

Brasserie Sainte Cru – Zum Collaben ins Elsass

Sainte Cru

Habe neulich von Vivien Remond, dem Gründer der erfolgreichsten Craftbeer Brauerei Frankreichs, der Brasserie Sainte Cru, eine Einladung zum Collaboration Brewing bekommen. Das hat mich natürlich mega gefreut und so bin ich mit meiner lieben Frau nach Colmar gedüst.

Wir waren ein wenig überrascht und haben sehr gelacht als wir Vivien getroffen haben, denn wir hatten mit einer Braumeisterin gerechnet…..

Die good Vibes waren sofort da…

…und so haben wir uns gleich an das Rezept für unseren deutsch-französischen Freundschaftssud gemacht.

Vivien ist echt der Hammer. Er hat Marketing und Vertrieb studiert und sich dann, nach anfänglichen autodidaktischen Brauversuchen zuhause, mit jungen 22 Jahren 2012 selbständig gemacht und seinen Traum einer eigenen Brauerei verwirklicht. Das 5 hl Sudhaus, wie auch die Gär- und Lagertanks hat er mit einem örtlichen Schlosser selber entwickelt und gebaut. Aufgrund des großen Erfolgs und des schnellen Wachstums wurde die erste Brauerei, die in einem Teil der Fabrikhalle seines Vaters beheimatet war, schnell zu klein. Und so erwarb er eine neue Halle mit 1200 m2 im Industriegebiet von Colmar und eröffnete diese 2018. Auch das neue Sudhaus ist designed und gebaut von Vivien himself. Sogar die Steuerung ist homemade…

Geschrotet wird mit einer Zwei-Walzen-Schrotmühle, der Läuterbottich und die Sudpfanne sind hydraulisch kippbar. Echt genial crazy.

Geschrotet und eingemaischt haben wir Pilsner Malz, die Rast bei 63°C für 1,5 Stunden gehalten. Zum Hopfen haben wir uns für Herkules entschieden. Vergoren wird unser Collab „hoppy Lager“ mit meiner untergärigen Bierhefe aus Böblingen…

Vivien lässt seinen Bieren Zeit zum Vergären und Lagern. Im Schnitt ca. 35 Tage, kaltgehopft wird unser Gemeinschaftssud mit Amarillo. Bei den Sainte Crus wird auf Filtration und Zentrifugieren verzichtet, was auch aufgrund der Lagerzeiten kein Problem ist. Im Gegenteil, den Bieren tut dies durchweg geschmacklich gut. Seit zwei Jahren wurde von der Flaschengärung auf die Tankreifung für die CO2 Bindung umgestellt.

Nach getaner Arbeit ging es zum fleißigen Verkosten in den Taproom. Dieser ist immer mittwochs von 16-22 Uhr geöffnet. Im Elsass gibt es mittlerweile 50 Craftbier Brauereien, in ganz Frankreich gibt es insgesamt ca. 2000 Braustätten. Die meisten mit einem Ausstoß von unter 300 hl p.a.. Vivien ist mit 6.500 hl die größte Craftbier Brauerei in Frankreich, gefolgt von der Brasserie Uberach und der Brasserie Perle.

Verkauft werden seine leckeren Bierkreationen in ganz Frankreich, 3% werden in die Schweiz exportiert. Der Fassbieranteil liegt bei 50%. Extrem begeistert bin ich von seiner Hauptsorte Orange Mécanique, ein Belgian Honey Ale mit 7% Alkoholgehalt. Am Ende der Kochung gibt Vivien noch 1 kg pro hl Würze elsässischen Honig dazu. Gehopft wird mit Amarillo. Überhaupt sind die Namen seiner Biere genauso genial-unique wie deren Geschmäcker. „Steel this beer“, ein double IPA oder das Session IPA „Don´t think twice“ sowie z.B. das „Red is dead“, ein American red Ale.

Mein Fazit: Sex, Ale and Rock´n´ Roll, I like it. Merci Vivien für den coolen Collabbrew.

 

 

Brauhaus Joh. Albrecht Konstanz – Der Hanf der kann´s.

Brauhaus Joh. Albrecht

Habe bei meinem Ausflug zum schwäbischen Meer einen kleinen Abstecher in die wunderschöne Altstadt von Konstanz gemacht. Denn dort ist seit mehr als zwanzig Jahren das Brauhaus Joh. Albrecht am Start.

Das Brauhaus ist im typischen Stil der Gasthausgründerzeit eingerichtet. Das urgemütliche Ambiente regt regelrecht zum Biertrinken an. Weitere Brauhaus-Geschwister findet ihr auch in Hamburg, Soltau, Bielefeld und Düsseldorf.

Der wirkliche Grund meines Besuchs aber war nicht die Verkostung des Klassikers „Kupfer“, ein etwas dunkleres, malziges Untergäriges. Nein, das aktuelle „Craftbeer“ Hanf Bräu hat meine Neugier geweckt. Braumeister Daniel Stolz stammt aus der Brauerdynastie der Brauerei Stolz in Isny und hat mich in die Geheimnisse dieses Göttertranks eingeweiht. Beim Würzekochen gibt er nicht zu knapp dreißig Minuten vor Kochende Hanfblüten in die Sudpfanne. Das sind übrigens die gleichen Zeitgenossen, die beim Hanfblütentee Verwendung finden. Und zur Verstärkung des lieblichen Rosenaromas, die Rose ist mit den Hanfpflanzen artverwandt, wird im Lagerkeller ebenfalls mit den Blüten noch kalt gehopft.

Das Ergebnis ist ein nach betörenden Rosenaromen duftender Zaubertrank, verführerisch  süß im Antrunk und sanft nachhallend im Abtrunk. Das schreit nach MEHR.

Mein Fazit: Der Hanf, der kann´s. Auch ganz ohne THC. Cheers.

Stewart Brewing Edinburgh – Alles Ale oder was?

Stewart

Waren Anfang August zum Weihnachtsgeschenk einlösen mit der Family auf dem Fringefestival in Edinburgh. Das ist das grösste Kulturfestival der Welt und sehr sehenswert. Weil ich immer ganz brav bin, durfte ich mich mit meinem Sohn Lukas mal kurz abseilen. Und so ging es mit dem Taxi zur ca. 25 Minuten entfernten Stewart Brewing nach Loanhead, am Rande von Edinburgh in einem Industriegebiet gelegen.

Dort hat mich der Masterbrewer und Vollblutschotte Craig Scotland sehr herzlich empfangen.  Sein Name ist Programm. Craig hat seinen Master for Brewing and Destilling an der Heriot-Watt University in Edinburgh mit ca. 100 anderen Teilnehmern aus vielen englischsprachigen Ländern dieser Welt erfolgreich abgeschlossen. Voraussetzung hierfür ist ein bestandener Bachelor Abschluss. Die Ausbildung an der Uni dauert ein Jahr. Craig ist sogar am Gärtank in einer lustigen Comiczeichnung verewigt.

Die Brauerei wurde 2004 gegründet und ist eine der wenigen inhabergeführten Brauereien in Schottland. 2013 wurde die jetzige Brauerei an den neuen Standort verlegt. Das Bavarian Brewery Technologies Sudhaus mit 50 hl Ausschlagmenge stammt aus Ungarn.

Gebraut werden 15.000 hl p.a. vollautomatisch. Das Witzige ist, dass sich die Stewartjungs die ganzen Temperaturrasten beim Maischen sparen. Vom Einmaischen bis zum Verzuckern alles bei 65 °C. Nur zum Abmaischen wird ganz klassisch auf      76 °C erhöht. Easy easy.

Das Malz beziehen die Schotten von den englischen Mälzereien Muntons, Simpsons und aus Deutschland von Weyermann. Für eine bessere Vollmundigkeit werden neben dem Gerstenmalz auch gerne Hafer- und Weizenmalz mit eingemaischt. Vergoren wird untergärig bei maximal 13°C mit dem Hefestamm 34/70, obergärig mit der Farmhouse Yeast bei 19°C.

Craigs ganzer Stolz ist seine Hopgun. Hier wird nicht nur mit Hopfen gestopft, sondern auch mit Kaffee. Und das nicht zu knapp beim „not your body Guy“, einem Canadian Breakfast Stout mit 6,8 Vol. % Alk., das vor der Abfüllung noch für sechs Monate ins Holzfass gelegt wird. Die Hauptsorte der Brauerei ist das Jack Back, ein IPA, das wunderbar rough mit Mosaic und Citra bis zu 3-7 g/l Hopfenöl von der hopgun beschossen wird. Great!

Nagelneu in Betrieb ist die Gea Zentrifuge mit einer Leistung von 100 hl pro Stunde. Die wurde vom schottischen Staat wegen ihrer positiven Umweltaspekte subventioniert. Die Jungs hauen in den Lagertank zur Vorklärung  das nicht reinheitsgebotskonforme Filtrationswunderhilfsmittel Biofine Clear und sparen sich so die Filtration……

Dann haben wir noch was bei der Fassabfüllung über Bierfässer in Great Britain gelernt. 50% der Stewartschen Leckereien wandern ins Fass, der Rest in die Flasche und in die Dose. Zur Flaschenabfüllung wird eine mobile Leihflaschenabfüllung geordert, wow. Die klassischen CO2 haltigen Bierstile werden in die Kegs…..

…die CO2 armen Ales in Casks abgefüllt, die reinig- und wiederbefüllbar sind.

Und die ganz besonderen Ales bekommen dann noch chilling time in den oak barrels, smooth.

Seit sechs Jahren betreiben die Stewarts ihre craft beer kitchen. Eine kleine Brauerei in der Brauerei für private labeling. Mittlerweile ein super Business, denn mit 15 Sud pro Woche marschiert das Brauereichen an der Kapazitätsgrenze. Der Gag? Hier werden für  Vereine, Freunde, Firmen and so on eigene, individuelle Biere gebraut. Man kann sein eigenes Rezept je nach Geschmackspräferenzen zusammenstellen.

Nach der Abfüllung in Flaschen werden diese dann noch zur Krönung mit dem eigenen Etikett geschmückt. That´s customer satisfaction.

Mein Fazit: Stewart Brewing – I like it. Thanks Craig!

Brauerei Falken – der Dosenspezialist

Falken

Bin neulich mit meinem Lieblingsbraumeister Gustel in die Schweiz nach Schaffhausen zur Brauerei Falken gedüst, um mich in die Welt der Dosenabfüllung einweihen zu lassen. Die Brauerei hat eine echte spannende Vita in ihrer jüngsten Zeit aufzuweisen. Mit 220 Jahren auf dem Buckel zählt sie zu den traditionsreichsten Brauereien der Schweiz. Seit 70 Jahren ist sie in der Hand der Eigentümerfamilie Moersen und tritt in der Rechtsform einer AG auf.

1895 wurde sie an den heutigen Standort verlegt, da man hier eine ergiebige Wasserquelle gefunden hatte. Wo heute die Züge vorbei rattern, war früher ein idyllischer See. Bis vor ca. 10 Jahren ging es leider immer weiter bergab mit den Ausstoßzahlen und so investierten die Falken 2012 in ein völlig neues Segment: Die Dosenabfüllung. Das war die Initialzündung für eine bemerkenswert erfolgreiche Entwicklung.

In das Reich der Dose hat mich Zdzislaw Koltun eingeführt, seines Zeichens Leiter der Produktion & Technik sowie Mitglied der Geschäftsleitung. Er hat seine Brauerlehre bei der Würzburger Hofbräu absolviert und den Braumeister bei Doemens. Seit acht Jahren ist er nun schon bei den Falken und hat einen großen Anteil an deren erfolgreicher Entwicklung.

Das 220 hl Ziemann Sudhaus mit Außenkocher ist aus dem Jahre 1982. Die alte Schützsteuerung wurde 2000 durch eine neue Steuerung ergänzt. Beide sind noch in Betrieb auf Herzenswunsch des Inhabers, crazy. Es werden 17 Sorten ganzjährig vollautomatisch gebraut, jede für sich. Fakes durch z.B. Zugabe von Farbebier  im Drucktankkeller für die Farb- und Geschmacksdifferenzierung der Biere sind mit Braumeister Koltun nicht zu machen. Das gefällt mir.

Die Hauptsorte mit 80% Anteil ist das in der Schweiz dominierende Lagerbier oder im Volksmund die Stange genannt. Unter dem Young Fashion Markennamen Hülse wird das ICE (auf Deutsch Eis)  im Coronastyle mit 30% Maisanteil eingebraut und nach der Gärung durch den Eski (Tiefkühler) gejagt, bevor es in die trendy Flaschen abgefüllt wird. Dazu gesellen sich noch ein Radler, ein naturtrübes Lager und das Pale Ale mit sportlichen 40 Bittereinheiten.

Der Gärkeller wurde 2017 general modernisiert und mit zusätzlichen Tanks ergänzt. Es wird klassisch vergoren und mit Restextrakt in die Lagertanks zur Nachreifung geschlaucht. Jetzt wisst ihr auch, warum Obergärung Obergärung  heisst… 🙂

Heute sind 55 Mitarbeiter im Dienste der Falken beschäftigt, davon 20 in der Produktion, also in der Herstellung und Abfüllung. Der Gesamtausstoß beträgt 140.000 hl. 40.000 hl werden als Eigenmarke gebraut und abgefüllt. Von den 100.000 hl wird einiges an Bier von Schweizer Brauereien in 250 hl Tankwagen angeliefert, pasteurisiert und in die Dose abgefüllt.

Die Brauerei hat 50 Dosenkunden, die Anlage läuft im Dreischichtbetrieb. Die Dosen werden im 24er Tray verpackt. Von der Bestellung bis zur Auslieferung werden nur 6-8 Wochen benötigt. Bemerkenswert ist, dass trotz fehlenden Dosenpfands die Dosen-Recyclingquote in der Schweiz bei satten 90% liegt. Davon kann unser Mehrwegsystem in D nur träumen….

Der letzte Schritt vor der Verpackung der Dosen ist die Pasteurisation. Für die mikrobiologische Haltbarkeit ist eine Tunnelpasteurisation zwingend notwendig. Mit 25 Pasteureinheiten hat man absolute Sicherheit und kann ohne Bedenken diesbezüglich bis zu 12 Monate Haltbarkeit garantieren.

Mein Fazit: Alles Dose oder was? Zdzislaw, vielen Dank für die spannenden Einblicke in deine Welt.

Klosterbrauerei Scheyern – Helles macht Spaß

Klosterbrauerei Scheyern

Bin neulich back-to-the-roots-mäßig nach Freising gedüst, um meinen Sohnemann in Weihenstephan vom Studieren abzuhalten. Außerdem wollte ich mich mit Lukis Prof Herrn Dr. Zarnkow treffen, um mit ihm über die Bierherstellung vor der Industrialisierung zu plaudern. Das Ganze geht natürlich nicht, ohne eine schöne Bauerei anzuschauen. Inspiriert durch das Buch vom Hans Carl Verlag „Bayerns Klöster und ihre Brauereien“, das ich von meiner lieben Frau zum Geburtstag geschenkt bekommen habe, sind wir nach Scheyern gedüst, das eine halbe Fahrstunde nordöstlich von Freising liegt.

Das Kloster Scheyern, die dazugehörige Kirche und die Klosterschenke sind echt sehenswert. Noch bemerkenswerter ist die Geschichte der dazugehörigen Brauerei und ihrer Biere. Die Kloster- und Brauereigeschichte reicht bis ins Jahr 1119 zurück und ist dieses Jahr sagenhafte 900 Jahre alt geworden. Somit zählt Scheyern neben der heutigen Staatsbrauerei Weihenstephan zu den ältesten dokumentierten Braustätten der Welt. Nach der Säkularisation 1803 wechselten die Eigentümer wie die Unterhosen. Nach dem 2. Weltkrieg folgte die schwerste Krise für die Brauerei und so wurde sie in der Not für 50 lange Jahre an die Hasenbräu Augsburg verpachtet. Diese wurde dann an die Tucher verscherbelt und somit verlotterte die Klosterbrauerei immer mehr, so dass 1991 der Brauschlüssel rumgedreht wurde. Als der Pachtvertrag 2001 endete, entschlossen sich die tapferen Mönche, die Brauerei wieder wachzuküssen. Eröffnet wurde am Festtag des hl. Benedikt, am 21. März 2006. Heute leben und arbeiten 15 Mönche im Kloster, geleitet wird die Brauerei von Pater Lukas, der die Brauerei top nachhaltig entwickelt.

Empfangen hat uns der erst 38 Jahre alte Braumeister Tobias Huber, der seit Wiederinbetriebnahme der Brauerei für die Bierqualitäten verantwortlich ist. Seinen Braumeister hat er bei Doemens gemacht.

Die ersten Jahre hat Tobias die Brauerei alleine gerockt. Geplant war eine Jahresproduktion von 2000 hl p.a., die er im zweiten Jahr schon überschritten hatte. Heute braut er mit einem Brauer und einem Lehrling ca. 7.500 hl im Jahr. Das vollautomatische 20 hl Sudhaus von der ehemaligen Firma Nerb, heute Esau & Huber, ist sehr schön in das alte Brauereigebäude Baujahr 1929 integriert.

Alle Biere werden mit dem Infusionsverfahren gebraut. Das Wasser stammt vom klostereigenen Brunnen und wird von 18 ° dH auf brautaugliche 3° dH durch Umkehrosmose enthärtet. Das meist Gebraute in Scheyern ist das Klosterbier Hell. Das liegt wohl an der geografischen Lage und daran, dass es das Lieblingsbier vom Braumeister Tobias ist. Hier seht ihr das alte Sudhaus des Klosters im Vergleich….

Neben dem klassischen Hellen und weiteren ober- und untergärigen Leckereien hat sich Tobias noch craftige Saisonbiere überlegt. Los gehts mit dem Frühlingsrauschen, ein Frühlings Ale mit Polaris feingehopft. Im Sommer gibt es die Sommerfrische, ein Schank-Ale mit easy 4,2 % Umdrehungen. Vergoren und gelagert wird im Eintankverfahren. Bei den Untergärigen geht es bei der Hauptgärung nicht über 10°C, gelagert wird mindestens zwei Wochen bei -1°C.

Auch hier hab ich für euch ein Vergleichsfoto neu vs. alt……

Im Herbst gibt es das super leckere Grünhopfen Pils Herbstwind. Hier würzt Tobias mit Opal, Hersbrucker und Hallertauer Tradition. Last but not least gibt es im Winter im Scheyernland einen hellen Weizenbock namens Winternacht. Klasse ist die Hefepropagation oder Hefereinzuchtanlage. Da freuen sich die Hefen vom Tobias…

Filtriert wird old school und doch sehr zeitgeistig mit dem Kieselgur Rahmenfilter. Tobias verzichtet ganz bewusst auf die Zugabe von PVPP und Eiweissstabilisierung. Ist auch nicht nötig, denn das leckere Gebräu gibt es nur im Umkreis von 20 km um das Kloster. Und das immer frisch, denn das Mindesthaltbarkeitsdatum mit 3 Monaten ist ein echtes Frischeversprechen.

Nebenbei wird in der Brauerei auch noch kräftig gebrannt. Hier wird “ alles gebrannt was kommt“. Das ist den großen Obstgärten des Klosters geschuldet. Von Mirabelle und Co bis zum Bierbrand aus dunklem Doppelbock. Lecker, lecker….

Auf der selbst gebastelten Versuchsbrauerei mit 40 Litern experimentiert Tobias gerade unter anderem mit Honig….

Und dann ging es noch zünftig zum Verkosten in die Klosterschenke…..

…. bevor wir die Parallelen zwischen der eigenen Klosterkirche und…..

… dem brauereieigenen Hopfengarten erkundet haben.

Mein Fazit: Klosterbrauerei Scheyern – dem Himmel so nah. Danke lieber Tobias.