Auf meiner Suche nach dem Shangri-La der Brauereien hat es mich nach Niedersachsen ins rund 50.000 Einwohner Städtchen Peine verschlagen. Bei meinem Besuch des Einbecker Brauhauses hatte ich von dem wunderschönen, sagenumworbenen Sudhaus der Brauerei Härke gehört. Aufgrund genau dieses Sudhauses wurde Härke 2013 mit stattlichen 70.000 hl vom Einbecker Brauhaus geschluckt. Dazu später mehr. Alles begann 1890 als Ernst Härke die damalige Raul`sche Brauerei am Standort des heutigen Härke Brauereiausschanks erwarb. Die heutigen denkmalgeschützten Gebäude der Brauerei…
…wurden zwischen 1927 und 1935 nach den Plänen von Architekt Anton von Norden erbaut. Der damalige Zeitzeuge Alfred Striemer meinte schon, dass es sich um „eines der schönsten Brauereigebäude, die es im Lande gibt“ handelt. „Ein Hochbau, in roten und schwarzen Klinkern, von prachtvoller architektonischer Wirkung“. Auf der einen Seite wunderschön anzusehen und mit Sicherheit ein einzigartiges Industriedenkmal. Auf der anderen Seite eine große Bürde aufgrund der begrenzten Nutzungsmöglichkeiten für den neuen Eigentümer. Die Nachwelt wird sich jedoch freuen, dass auf diesem brauhistorischen Stückchen Erde nicht der gefühlt hundertmillionste austauschbare Konsumtempel gebaut wurde. Auch das gusseiserne Brauereitor zum Bierglück bleibt hoffentlich für die nächsten Generationen erhalten…
In der ehemaligen Bierstadt Peine ging es urkundlich belegt 1356 mit dem Brauen los. 1798 gründete die Familie Düvel die Vorläuferin der heutige Härke Brauerei und bewirtschaftete diese bis 1832. Von 1832 bis 1890 braute die Familie Raul. Von 1890 bis 2013 die Familie Härke mit den letzten Geschäftsführern der Familie, Mathias und Martin Härke. Erst 1907 wurde übrigens von Raulscher Brauerei auf Brauerei Härke umfirmiert. Laut Biersteueraufzeichnungen aus dem Jahre 1875/76 weiß man, dass zu dieser Zeit vier Brauereien in Peine gebraut haben. Empfangen hat uns die Cousine meiner Frau, die liebe Nicky, die verantwortlich für die Brauereiführungen ist.
Nach einer sehr interessanten Einführung durch die Geschichte der Brauerei hat sie uns direkt ins Herz der Begierde geführt…
2008 haben die Gebrüder Härke die Modernisierung ihres Sudhauses in Angriff genommen. Mit dem Ziel, eines der schönsten Sudhäuser in Deutschland zu realisieren…
…was ihnen auch tatsächlich gelungen ist. In mehr als 800 Stunden wurden die alten Kupferhauben händisch aufpoliert. Noch heute ist es keinem Besucher erlaubt, ohne Stoffhandschuhe die Bierkathedrale zu betreten. Pfannentätscheln wird mit sofortigen Handabhacken vor Ort bestraft…
1890 brauten die Härkes nach dem Erwerb 3.000 hl im Jahr. Nach dem 1. Weltkrieg waren es schon 10.000 hl, zum 100 jährigen Jubiläum 1990 sagenhafte 160.000 hl. Dieser Jahresausstoß entspricht der Wegstrecke von Peine nach Kairo, wenn man sich die Mühe macht, diese Menge in 0,33 l Flaschen abzufüllen und aneinander zu reihen. Das Innenleben der ehrwürdigen Gefäße wurde mit modernster Technik ausgestattet..
Leider hat die Sudhausmodernisierung und die damit nicht planbaren, überhöhten Kosten, neben Absatzproblemen die Brauerei in die Insolvenz getrieben. Manchmal ist das Brauerleben wirklich mehr als traurig und tragisch. Neben unendlichem Leid für die Eigentümerfamilie hat dieses Unglück auch eine andere Seite. Denn was gibt es Erfüllenderes, als in diesen so schönen, energiereichen Räumlichkeiten sein eigenes Feng Shui zu finden…
Bei der Brauereiübernahme 1890 braute die Familie Härke nur dunkles, trübes Bier Wiener Brauart. Zu dieser Zeit wurde die Sudpfanne direkt mit Holz befeuert, bevor diese durch eine gusseiserne Doppelpfanne mit indirekter Dampf- oder Heißwasserbeheizung abgelöst wurde. Kupfer löste das Gusseisen später wegen der höheren Leitfähigkeit ab. In der Zeit kurz vor dem 1. Weltkrieg wurden aufgrund der Nachfrage nach hellen, blanken Bieren ein Export Dortmunder Typs und Pils gebraut, welche aufgrund der Filtration haltbarer waren und sich dadurch auch für weitere Vertriebswege eigneten. Während der britischen Besatzungszeit nach dem 2. Weltkrieg gab es aufgrund der Wünsche der Engländer sogar ein untergäriges Porter (heute klassisch obergärig), das nach dem Krieg kurzerhand in einen Doppelbock verwandelt wurde. Die Kupfergefäße des heutigen Sudhauses wurden ursprünglich 1962 vom damals größten Sudhaushersteller der Welt eingebracht…
Die Geschichte der Weigelwerke Neisse-Neuland ist eine ganz interessante. 1830 wurde eine kleine Kupferschmiede von Ferdinand Weigel in Grottkau gegründet. Der erste Sudhausauftrag kam 1886 von Josef Milde aus Friedland in Oberschlesien. Die Qualität sprach sich in Windeseile herum. Diese und zahllose Patente vom Dampfkessel 1880 über den 1892 eingetragenen „Maisch- und Läuterbottich mit herausnehmbaren Senk- oder Läuterboden in Schalenform“ bis zum 1901 beschriebenen Hopfenseiher – Montejus waren Meilensteine für den späteren Erfolg. Die Sudhäuser mit den Maischefiltern fanden in unzähligen Brauereien in Europa Einzug. 2002 wurde das Werk ZUP Nysa in Polen geschlossen. Aus dem volkseigenen Betrieb Nordhausen wurde 1990 der Apparatebau Nordhausen GmbH, der heute Komplettsudhäuser von 10 hl bis 650 hl Ausschlagmenge baut. Die Schaltzentrale wurde futuristisch in den historisch modernen Gesamtkontext eingebettet. Einmalig schön.
Nach dem wohl einzigartigen Gänsehaut – Erlebnis ging es in den ehemaligen Schalander zur Verkostung…
Ganz klar mein Favorit, das Härke…
Die Biere sind durch die Bank weg 1 A, super lecker und mega bekömmlich, so dass es keines….
… bedarf.
FAZIT: Liebe Nicky, danke, dass du uns den Weg zum Glück möglich gemacht hast.