Als dritte Station auf unserer historischen Nürnberger Rotbier Expedition ging es zur ältesten erhaltenen Nürnberger Braustätte an den Schillerplatz. Und somit zu einem, was die Nürnberger Brauereigeschichte betrifft, einzigartigen Ort. In dem wunderschönen denkmalgeschützten Backsteingebäude aus dem Jahre 1899 brauten zuerst die fusionierten Nürnberger Altstadtbrauereien Bernreuther und Liebel. Umgebaut wurde das Sudhaus dann 1939/40 als die Reifbräu sich dazu gesellte. Die Brauereien waren eigenständige Firmen und teilten sich das Sudhaus. 1960 kam es durch Fusion zur Brauhaus Nürnberg J.G. Reif AG. Die Reif AG brachte den Markennamen Siechen mit. 1966 fusionierte dann die „Reifen-Jungs“ mit der damals Freiherrlich von Tucher’schen Brauerei AG zur Brau AG. Die „Tucher-Jungs“ hingegen verlegten in diesem Zug ihre Braustätte von der Langen Gasse (heutige Friedrich Alexander Uni) an den Schillerplatz. Fortan wurden die Biere unter Tucher – Siechen den durstigen Kehlen feil geboten.
Die Vielzahl der Rechtsform der AG bei Brauereien sind by the way dem enormen Kapitalbedarf der Brauereien in der Zeit der Industrialisierung geschuldet. Damals haben die Brauer einfach viel Kohle für die Anschaffung von Dampf- und Kältemaschinen benötigt, um mit der wirtschaftlichen Entwicklung standzuhalten. Empfangen wurden wir von Helmut Ell, dem ultimativen Bier- und Biergeschichts- wandelnden Kollektivwissen der Tucher Brauerei. Helmut ist verantwortlich für die Führungen im Alten Sudhaus und in der neuen Tucher 2- Städte Brauerei. In Helmuts Fragestunde beantwortete er alle Fragen rund um die Tucher Brauerei in aller Perfektion. Mein Gastgeschenk hat er sofort begeistert empfangen und als ausgebildeter Biersommelier gleich in diesem historischen Kontext verkostet und für gut befunden. Helmut ist eine wohl ziemlich einzigartige Energie- und Wissensquelle in allen Belangen rund um den köstlichen Gerstensaft.
Die Tucher Jungs haben nach aufwändigen Renovierungsarbeiten dieses Bierparadies zum Tag des deutschen Bieres am 23. April letzten Jahres wieder eröffnet, um ihrer Brauerei-DNA den passenden Rahmen zu schenken. Das kathedralenhafte 400 hl Kupfersudwerk aus dem Jahre 1960 ist eine Schönheit die ihresgleichen im bayrischen Bierorbit sucht.
An dieser kupfernen Schönheit sieht sich der Bierlover nicht satt….
…nicht satt….
…und nicht satt. Der Hopfenentlauger der Firma Steinecker ist eine echte Rarität und wohl in dieser Ausführung einmalig. Diese Technik ist längst in Vergessenheit geraten, bei der die durchfließenden Heisswürzen vom Läuterbottich Richtung Pfanne den vorgelegten Hopfen ausgelaugt haben. Oder einfach erklärt, eine Hopgun für die Heisswürzen.
Und genau hier wurde nach fünfjähriger intensiver biergeschichtlicher Recherche und unzähligen Brauversuchen der Tucherschen Rotbiertradition wieder Leben eingehaucht. Und zwar in Form einer Kaspar Schulz 15 hl Bräuhausanlage Baujahr 1996. Und in derselbigen findet das Tucher Rotbier seinen Ursprung.
Für das Rotbier werden zwei Biergattungen gebraut und später nach der Lagerung vor dem Abfüllen vermählt. Zum Einen wird ein Vollbier im Infusionsverfahren mit 12% Stammwürze eingebraut. Verwendet werden Cara Red, wenig Röstmalz und klassisches Pilsner Malz. Gehopft wird mit Spalter Select, Hallertau Tradition und Herkules. Der Doppelbock wird mit 19% und den gleichen Zutaten eingebraut. Vergoren wird ganz nach Nürnberger Art klassisch kalt und somit untergärig….
…gereift jeweils 6 Wochen in den Lagertanks.
Der Doppelbock findet dann nach der Reifung nochmal acht Wochen seine Ruhe in verschiedentlich getosteten Eichenholzfässern. Das ist der Wahnsinn, wieviel Mühe, Leidenschaft und Können die Tucher Braumeister sich für diesen Göttertrunk geben.
Abgefüllt wird mein Nürnberger Rotbierfavorit seit 3 Monaten in Flaschen, der 5 l Dose und für ausgesuchte Gastronomieobjekte in eigens angeschaffte Holzfässer. Zum Doppelbock und vor dem finalen Rotbier haben wir eine leckere Gerstenbrezel als kulinarische Grundlage gefuttert. Super Idee. Food- und Bierpairing mal ganz basic.
Mein Fazit: Tucher Rotbier = Vollbier + eichenholzgereifter Doppelbock = Lecker, lecker! Helmut 1000 Dank.