Über Werner

Auf der Suche nach dem Shangri-la des Bieres. Ich bin die 6. bierbrauende Generation Dinkelaker in Böblingen. Wie mein Vater, Großvater und Urgroßvater habe ich der Dinkelakerschen Tradition folgend in Weihenstephan das Studium zum Diplom Braumeister absolviert. 1991 ging es auf Betriebsüberwachungsexpedition nach Venezuela zur Polarbrauerei, die damals “total quality like” rund 20 Mio hl Bier produzierte. Nach meiner Rückkehr habe ich noch kurz den Dipl.- Wirtschaftsingenieur draufgesetzt, erste Schritte im Außendienst bei der Eichbaumbrauerei Mannheim gemacht und bin dann mit Familie für ein Jahr zum Brauereiaufbau nach Nord Zypern (1996). Zurückgekehrt darf ich nun schon seit 1997 mit einer klasse Mannschaft unsere regionalen Biertrinker mit feinsten Leckereien aus der Schönbuch Braumanufaktur in Böblingen beglücken. Bier ist mein Leben, deswegen sind meine Tage auch durch Bier geprägt. Tagsüber bespaße ich meine Kunden, Mitarbeiter und freue mich über unsere tolle Brauerei. Zum Feierabend verkoste ich die mir zugeschickten Bierspezialitäten aus dem In- und Ausland und zum krönenden Abschluss natürlich auch unsere Leckereien. Bierreisen mit meiner lieben Frau (ausgebildete Biersommeliere und geduldige Lektorin meiner Blogs - vielen Dank mein Schatz) und Besuche bei Brauerkollegen mit meinem Bierbruder Olly von der Karftbierwerkstatt sind meine Inspiration. Auf der Suche nach dem “Aledorado” haben schon sehr viele schöne Brauereien unseren Weg gekreuzt. Und darüber blogge ich seit 2013. Mega Spass machen mir auch meine Biervorträge und Verkostungen, bei denen ich mit Bierinteressierten meine Leidenschaft teilen darf. Folgt mir auf der Suche nach dem schönsten Brauerei- und Bierort der Welt.

As time goes by – Belgrad Beerfest 2022

Letztes Jahr bin ich in einer Kneipe in Nordzypern mit einem 2.10m großen Hünen bei einem Bier ins Gespräch gekommen. Vukas heißt der Mann und hat in seinen jungen Jahren in der serbischen Nationalmannschaft Basketball gespielt. Nach dem zweiten Bier hat er mir total begeistert von dem größten osteuropäischen Bierfestival mit sagenhaften 500.000 bierbegeisterten Besuchern in seiner Heimatstadt Belgrad erzählt. Meine Frau hat kurz gegoogelt, gebucht und so sind wir vom 18.-21. August von Stuttgart aus direkt zum BBF nach Belgrad geflogen.

Das Festival ist in zwei Bereiche aufgeteilt: Den Craftbeer Garden unde den Musikbereich. Bei 35 °C zur Feierabendzeit haben wir uns kurzentschlossen im Craftbeer Garden durch die meist serbischen Craftbeerstände verkostet. Knapp dreißig Vertreter ihrer Zunft bieten dort ihre Leckereien an. Mein Favorit war das Red Lager „Motored“ von der Gulliver Brewery.

Gesponsert wird das Festival interessanterweise von den internationalen big players Heineken und Tuborg. 

Neben deren Bierständen hat am Hauptplatz auch die Dogma Berwery ihren Platz. Die Biere haben mich durch die Bank positiv überrascht. Qualitätiv handwerklich richtig gut gemacht. Dogma wurde 2016 gegründet und ist die schnellstwachsende Craftbeer Brauerei in Serbien. Der Stand wurde von den Youngsters regelrecht besetzt…

Am nächsten Morgen haben wir uns das Sightseeing gespart und sind zum Relaxen  an die 4km vom Stadtkern entfernte „Ada Ciganlija“ gefahren. Die Einheimischen nennen den sensationell schönen Badesee zu Recht auch das Meer von Belgrad. Neben dem mit Trinkwasserqualität gefluteten See laden viele Bars und Restaurants zum Verweilen ein. Lebens- und Erlebnisqualität vom Feinsten. 

Völlig tiefenentspannt haben wir uns dann doch noch aufgemacht, die Belgrader Bierszene zu erobern. Erste Anlaufstelle war das Beer Sheep. Ein klassischer Craftbeershop mit jeder Menge deutschen, internationalen und serbischen Bieren, die vor Ort verkostet werden können. Nette Jungs. Nach dem Genuss einer „bunten Mischung“ von Bieren…

 

…ging es gleich nebenan, etwas scary, die Rolltreppe hoch… 

… in die punky Craftbeerkneipe Samopivo. Mit cooler Terrasse – lohnenswert.

Nächste Station war die etwas außerhalb gelegene Gvint Brewery. Die kleine Brauerei mit Taproom liegt etwa 30 Gehminuten vom Stadtzentrum entfernt. Der Weg und das Ziel sind absolut lohnenswert. Der Charme von Belgrad außerhalb des Tourizentrums ist sein urban-industrial Flair. Hier ist noch nichts von hochbezahlten Stuttgarter Stararchitekten zu Tode modernisiert worden. Direkt neben der Gvint lädt ein schöner Handwerkermarkt an den Wochenenden zum Verweilen und Stöbern ein.

Das Orthodox Celts Red mit seinen 30 IBU und 5 Vol.% Alc. kann ich nur empfehlen. Regt wacker zum Weitertrinken an…

Zum Abschluss unserer Bier- und Brauereirunde sind wir in neun Minuten von der Gvint zur Docker Brewery gelaufen, um deren legendäres mit Eldorado und Mosaic gehopftes Hazy Alpaca New England IPA zu verkosten. Die Binderkonstruktion und der kathedralenhafte Aufbau haben mir ein ordentliches Déja-vu verpasst. Da war ich doch schon…? Ein eineiiger Zwilling unseres Schönbuch Brauhauses in Böblingen. Heimweh war gestern. Die Augen rechts…

 

… die Augen links…

Mein FAZIT: Noch keine Reisepläne? Belgrad ist immer eine Bierreise wert.

 

Felsenau – Prickelnd wie der erste Kuss

Felsenau

Nach unserem Besuch bei der Burgdorfer Brauerei ging es weiter in die Schweizer Landeshauptstadt Bern. Dort soll eine wunderschöne Traditionsbrauerei Namens Felsenau direkt an dem Flüsschen Aare beheimatet sein. Und bald wurden wir fündig…

Der Hopfenerd Reto (in der Mitte) und ich wurden von Inhaber und Geschäftsführer Bernhard Führer zünftig mit einer meeeega süffigen Stange  Bärner Junker begrüßt. Leckerer geht es nicht.

Die Brauerei schaut auf eine lange Geschichte zurück. Gegründet wurde sie im Jahre 1881. Heute braut Bernhard mit seinen 20 Mitstreitern 25.000 hl im Jahr. Bis 1991 bestand das legendäre Schweizer Bierkartell mit seinen damals 32 Brauereien. Nachdem dieses beerdigt wurde, wuchs die Zahl bis heute auf 1.400 Brauereien an. Heute dominiert Carlsberg mit 40% Marktanteil die Schweiz, gefolgt von Heineken mit 20% Marktanteil. Im Kanton Bern ist die Felsenau die zweitgrößte Braustätte.

Im Übrigen zählt in der Schweiz jeder Haushalt, der mehr als 400 Liter Gerstensaft p.a. im Jahr braut als Brauerei. Denn ab 401 Liter pro Jahr Selbstgebrautem ist man im Alpenland biersteuerpflichtig. Auch in der Schweiz gibt es eine Wettbewerbsverzerrung im Vergleich zum Wein. Denn bei diesem ist die Alkoholsteuer wie in good old Germany auf zero gesetzt… Toll.

Das 150 hl Huppmann Sudhaus aus dem Jahr 1960 ist wunderschön. Warum schützt die Unesco eigentlich keine Kupfersudhäuser vor dem Edelstahl?

Die ehemalige Sudhaussteuerung a la Spock from the Raumschiff Enterprise wird zum Glück erhalten. Auch wenn die neue digitale Steuerung schon lange am Ruder ist…

Und dann kam mein Higlight: Der offene Gärkeller. Einfach nur wunderschön. Hier vergären die Lieblinge von Bernhard. Die Hauptsorte Pils mit 35% am Gesamtaustoß ist das meist Getrunkene, das in der Schweiz aber nicht Pils genannt werden darf, daher der Name „Junker“. Denn der berühmte Emmentaler Käse darf nach einem Rechtsstreit mit Tschechien auch nicht als Emmentaler an die Käsefreunde Tschechiens verkauft werden. Crazy… 

Einmal von oben und einmal der Bediengang von unten. Eine echte Rarität. Zeitlos schön…

Und dann ging es in die Sandsteinkatakomben der Brauerei, von denen die Brauerei ihren Namen hat. Im Lagerkeller ruht auch die zweitstärkste Sorte, das Bärner Müntschli mit 30% am Gesamtausstoß, das die Schweizer Bierwelt seit 1998 bereichert. Ein unfiltriertes Zwickelbier. Sehr, sehr süffig. Da lässt es sich super verweilen…

Die Tankkapazitäten wurden durch Edelstahltanks in den uralten Lagerkellern erweitert…

Und für Platz für weitere Erweiterungen hat Bernhard bereits Vorsorge getroffen.

Auch in der Felsenau Brauerei werden die Biere noch mit einem Separator geklärt. Doch nicht mehr lange, denn die neue Crossflow Membranfiltration ist bereits bestellt. Chapeau.

Bevor die Biere in die Flasche oder ins Fass abgefüllt werden, durchlaufen diese noch die Kurzzeiterhitzung. Allen nicht wissenschaftlichen Unkenrufen mancher selbsternannter Bierneulinge und Halbbrauer möchte ich an dieser Stelle entgegnen, dass die Kurzzeiterhitzung bei fachgerechter sauerstoffarmer Herstellung keinerlei Beeinträchtigung auf die spätere Bierqualität hat. Basta! Das musste ich jetzt los werden…

Auch die Flaschenabfüllung mit dem Langrohrfüller hat alle technischen Voraussetzungen zur Abfüllung bester Felsenauer Biere, bevor diese im Harras (Deutsch: Bierkiste) zu ihren Liebhabern im Umland gelangen.

Mein Fazit: Bärner Müntschi (Deutsch: Bussi) – I love it.

 

Burgdorfer – Vom Korn zum Bierhaus

Burgdorfer

Endlich ging es mal wieder auf Brauerei-Challenge. Dieses Mal in die schöne Schweiz mit ihren mittlerweilen weit über 1.000 Brauereien. Das ergibt bei ca. 8.000.000 Einwohnern mit die höchste Brauereidichte der Welt. Organisiert hat die Tour mein liebgewonnener Bierfreund Reto. Seines Zeichens der Hopfenerd, mein Schweizer Pendant in Sachen Brauereiblog. Entsprechend wurden wir bei der Burgdorfer Brauerei empfangen. 

Begrüßt wurden wir von David Sailer und seinem Triple, welches in der Schweiz zum Tripleweltmeister gekürt wurde. Mit 20% Stammwürze, vergoren mit einer belgischen Hefe und einer Kandiszuckergabe von 27 kg auf 5 hl wurde mir morgens um 10 Uhr gleich warm ums Herz. Real good thing. David ist ein wahrer Vorzeigebrauer. Über Alpirsbach und Hochdorf hat es ihn 2011 in die Schweiz verschlagen, als er  in Burgdorf anheuerte. Der Vorzeigeschwabe ist nicht nur aufgrund seiner Braukünste in Burgdorf sesshaft geworden.  

Die Brauerei befindet sich heute in einem ehemaligen Kornhaus, Baujahr 1770, das als Kornlager genutzt wurde. Ein wunderschönes, denkmalgeschütztes Refugium. Nach dem Kornlager wurde es als Salzlager und  später als Museum für Heimatkunde genutzt.

Die Burgdorfer Gasthausbrauerei wurde ursprünglich 1999 im Schützenhaus, dessen Eigentümer der Erfinder der Insulinpumpe namens Willi Michel ist, gegründet. Diese war anfangs auf 1.000 hl ausgelegt. Durch schnelles Wachstum auf 5.000 hl war der Umzug 2012 ein Muss. Das Kornhaus befindet sich im Eigentum der Stadt Burgdorf. Die Burgdorfer Gasthaus AG hat die Brauerei zu diesem Zeitpunkt von ihrem Gründer übernommen. Heute hat die AG 8.000 Aktionäre, eine Aktie ist aufgrund der hohen Nachfrage kaum zu erwerben. Der ursprüngliche Aktienwert lag damals bei 250 Franken, die letzten wechselten für 3.000 Franken ihren Besitzer. Beschäftigt sind in der Brauerei 12 Mitarbeiter, von den Brauern, dem Außendienst bis zum Chauffeur (auf Deutsch: Bierfahrer). Im Schützenhaus, der ersten Burgdorfer Braustätte, werden bis heute die Spezialsorten auf dem kleinen Sudwerk gebraut, die Hauptsorten hier im Kornhaus.

Geplant wurde das 30 hl Casparysudhaus vom gleichnamigen Sudhaushersteller. Ein Meisterstück. Das absatzstärkste Gebräu ist das Helle, gefolgt vom bernsteinfarbenen untergärigen „Aemme“ und dem klassischen Weizen.

Der Gär- und Lagerkeller, ein Traum. Perfekt geplant von der Firma Heinrich Leicht in Bamberg. Die Untergärigen werden bei 10°C angestellt und mit max 12 °C vergoren. Die Obergärigen mit 18°C und mit max. 21 °C vergoren. Geführt, also verwendet wird die obergärige Hefe genau 1 mal, die untergärige bis max. 10 mal. Bezogen werden die Trockenhefen von Fermentis, Augsburg.

Mein Lieblingstrunk ist neben dem Dampfbier, das 2012 den World Beer Award in dieser Kategorie gewonnen hat, das „Aemme“. Ich liebe caramellmalzige, leicht süße Zaubertränke untergäriger Brauart. Lecker.

Für die Einbringung des Sudhauses musste eine Einbringungsöffnung in den Boden der heiligen Hallen gehauen werden, da der Denkmalschutz eine Öffnung in die Hauswand nicht zuließ. Und so schwebte das Sudhaus aus dem Keller ins heutige EG. Crazy.

Geklärt werden die filtrierten Spezialitäten mit einer Zentrifuge, in der Schweiz in Brauereien dieser Größe üblich. Im Übrigen hat die Brauerei 2019 mit 8.000 hl ihre Kapa erreicht. Mehr geht nicht, that´s it. Zu haben ist der edle Stoff im Übrigen nur ganz regional in der Emmentaler Region. 

Auch die im Keller befindliche Abfüllanlage mit einer Stundenleistung von 3.000 Flaschen lässt sich sehen. Der Ein- und Auspacker der Fa. PackTec wurde von David besonders gelobt.

Und am Schluss hat uns David noch seine magische 7 verraten. 7 Stunden Sudhaus – 7 Tage Gärung – 7 Wochen Lagerung – Postleitzahl Burgdorf 3400 macht 7 – 7 Verwaltungsräte – und 7 Minuten Trinkzeit einer Stange (Deutsch Glas Bier). Darauf einen süffigen Bock zu Ehren des Verwaltungsrats Res Zbinden. 

Mein Fazit: Burgdorfer – im wahrsten Sinne vom Korn zum Bier… Respekt.

Biere blanche – Frau Ribbentrop lässt grüßen

Aufgrund der unglaublichen Situation in der Ukraine veröffentliche ich heute einen Blog, den ich bereits Ende 2015 online gestellt hatte. Mit diesem Blog möchte ich ein klares Zeichen gegen Gewalt setzen und meine Solidarität allen Brauern der Welt gegenüber ausdrücken, die sich in ähnlich katastrophalen Umständen befinden.
Wir sind sind eine Brauerfamilie und uns verbindet wohl eins der wertvollsten Kulturgüter unserer Zeit. Denn unser Bier ist der Kitt der Gesellschaft, verbindet Völker und macht uns Menschen glücklich.
Make beer not war!
Veröffentlicht am 19. Dezember 2015
In der Ukraine braut sich was zusammen. Der Biermarkt dort wird mengenmässig  durch die großen Konzerne der Welt beherrscht. Ambev, Miller, Carlsberg, aber auch durch lokale Brauer wie Obolon. Der weltweite Trend hin zum Individualgeschmack, insbesondere beim Bier, zeigt sich auch in der Ukraine durch Gründung zahlreicher Brewpubs. Ein bemerkenswerter Vertreter dieser Art ist in Form einer Bierflasche bei mir aufgeschlagen.
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Das Label hat mich neugierig gemacht. Wer war noch dieser Ullrich Friedrich Willy von Ribbentrop? Ein kurzer Blick in die Geschichtsbücher des World Wide Web – und? WOW. Das war der Deutsche Außenminister während des 3. Reichs. Ein Blick aufs Rückenetikett brachte mehr Erklärung…..
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Ein politisch motivierter Brauer steckt wohl hinter diesem Biere blanche, das  im Pravda Beer Theatre in Lviv eingebraut wurde. Geschmacklich interessant, allerdings etwas gealtert macht mich dieses non mainstream beer neugierig auf mehr. Ukraine ich komme.
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Mein Fazit: Non Mainstream Brauer dieser Welt, zeigt Kante und braut Euch was zusammen.

Ochsenbräu Ergenzingen – Abschied macht traurig

Ochsenbräu

Leider musste ich Ende letzten Jahres noch nach Ergenzingen, meinen geschätzten Brauerkollegen Rolf Digeser besuchen. Denn mich ereilte zum Abschluss des für viele Brauereien so harten zweiten Coronajahrs die traurige Nachricht, dass er seine Brauerei schließt. Was das bedeutet und welche Relevanz solch ein trauriges Ereignis für mich hat, möchte ich in diesem Blog nur ansatzweise versuchen, darzustellen. In Ergenzingen angekommen, bin ich zu allererst ein paar Minuten vor Rolfs Brauerei gestanden…

Der imposante Backsteinbau wurde 1897 von Familie Maier, den Vorbesitzern, erbaut und erfreut bis heute die Augen der nicht nur brauhistorisch interessierten Besucher und mit Sicherheit auch der Alt-Ergenzinger Bevölkerung. Die Brauereigebäude sind allesamt toll in Schuss und sehr gepflegt, und sind nicht nur wegen der zentralen Lage dorfbildprägend. Nach der herzlichen Begrüßung…

…ging es ins wunderschöne Sudhaus…

Die alte Jakob Karl Kupfersudpfanne aus Göppingen mit ihren 31 hl Ausschlagmenge ist einfach zeitlos schön. 1998 kam der Edelstahl-Läuterbottich dazu.

Ursprünglich gab es fünf Brauereien in Ergenzingen. Damals war die Brauwelt noch in Ordnung, denn Anfang des 19. Jahrhunderts, also vor der Industrialisierung, hatten die meisten Brauer noch ihr Auskommen damit. Die Ochsenbräu schaut auf eine bewegte Geschichte zurück. Urkundlich erwähnt wurde sie zum ersten Mal 1770. Im Besitz der Familie Digeser befindet sie sich die Brauerei seit 1928, als  Franz Digeser diese von der besagten Familie Maier erwarb. Eine echte Rarität ist der Whirlpool aus Aluminium…

Seit 1989 arbeitete Rolf in der elterlichen Brauerei. Zuvor hat er seine Brauerlehre gleich in der Nachbarschaft bei Alfred Schimpfs Kronenbrauerei in Remmingsheim gemacht. Für Alfred arbeitete er dann noch bis 1987 und vertiefte und festigte dort sein Können. Den erforderlichen Braumeister-Abschluss hat er dann 1993 in Ulm erworben, bevor er auf eigene Rechnung 2007 in vierter Generation den Betrieb übernahm. Der Würzekühler zum Abkühlen der heißen Bierwürze…

Stetig wurde in den Betrieb investiert, zuletzt in zwei Gärtanks von der Firma Speidel, die in Ofterdingen zu Hause ist.

In den letzten Jahren machte sich Rolf viele Gedanken zu seiner Nachfolge. Wie geht es wohl mit seiner Brauerei nach ihm weiter? In seiner Familie gibt es leider keine möglichen Kandidaten und die Suche nach einem externen Braumeister gestaltete sich auch mehr als schwierig. Denn die tägliche Arbeit einer so kleinen Handwerksbrauerei verlangt  einem sehr viel ab. Krankheitsvertretung – Fehlanzeige, Urlaub – minimalistisch, Freizeit – karg, etc.. Alles Themen, die bei der Brauerjugend doch eher eine gewichtige Rolle zu spielen scheinen. Aufgrund dieser fehlenden Nachfolgeperspektive investierte Rolf natürlich in den letzten Jahren nur noch in die must haves. Wobei die Ochsenbrauerei von der technischen Einrichtung bis zur Sauberkeit für mich up to date ist. In dieser Größe habe ich zumindest schon einige andere Brauereien sehen dürfen, deren Inhaber sehr dankbar über Rolfs Brauerei gewesen wären. Dann ging es in den Lagerkeller…

…und weiter zur Filtration…

Die Flaschenabfüllung steht tiptop da. Sehr traurig, dass an meinem Besuchstag das letzte Mal darüber abgefüllt wurde. Gerade in einer Zeit, in der der Trend der Verbraucher hin zu regionalen Bierspezialitäten kaum mehr zu steigern ist. Und von diesem Trend hat vor Corona auch die Ochsenbrauerei partizipiert. Sogar Sternekoch Vincent Klink von der Wielandshöhe war Kunde und schaute Rolf ab und an über die Schulter. Den Trend zur Regionalität sollten wir trotzdem auch realistisch betrachten, denn Corona hat den gnadenlosen Verdrängungswettbewerb weiter beschleunigt. Befeuert zum Einen durch einen gnadenlosen Lebensmittelhandel, dem z.T. die regionale Braukunst hinten links  vorbei geht und der nur konditionenfokussiert handelt. Und da fallen die regionalen Kleinstbrauereien wie Rolf einfach durch. Zum Anderen ist der regionale Brauereiwettbewerb nicht minder zerstörerisch. Und zu den Brauereien im Großraum von Stuttgart kommen auch noch Brauereien von der Alb und aus dem Allgäu hinzu, die bei uns das Morgenland zu erkennen meinen. Und das schlägt sich eben auch mit auf die Angebotspreise in der Gastronomie nieder. Da bieten die Älbler und Allgäuer Bierpreise an, bei denen Brauer wie Rolf einfach betriebswirtschaftlich nicht mithalten können. Der Gambrinus würde sich zum Teil im Grabe rumdrehen…

Darüber hinaus war das zweite Coronajahr 2021 für die Brauindustrie und deren Brauereien zum Teil existenzgefährdend. Ich schreibe bewusst zum Teil, da die wirtschaftliche Situation stark von der Betriebsgröße der Brauereien abhängig ist. Je kleiner und regionaler, desto höher fällt der Anteil an Fassbier am Gesamtausstoß aus. Und dieser hat sich aufgrund der Schließungen von Gastronomie und Verbot von Festen und Veranstaltungen im Vergleich zu 2019 bei weniger als 50% eingependelt. Da die Flaschenbiererlöse im groben Durchschnitt betrachtet um ca. 50% unter den Fassbiererlösen liegen, sind Zuwächse im Flaschenbiersegment nur schmerzlindernd, aber keinesfalls heilend. Jedenfalls macht mich die Schließung sehr betroffen, denn sie ist nicht nur ein Spiegel der momentanen Situation kleinerer Brauereien, sondern ein riesiger Verlust für den Bier- und Brauereiliebhaber. Die Biere aus der Ochsenbrauerei haben mir sehr, sehr gut geschmeckt. Es darf nicht sein, dass solche Spezialitäten plötzlich nicht mehr da sind. Wer den Bock, das Kellerbier und das Pils verkosten durfte, weiß, wovon ich spreche. Das Leben in Ergenzingen geht weiter, aber mit Sicherheit wird ein ganz wichtiger Teil davon fehlen: Der Mittelpunkt des dörflichen Lebens, denn Bier ist der Kitt unserer Gesellschaft. Ohne örtliche Brauerei weniger Freude, weniger Genuss und vor allen Dingen weniger soziales Miteinander. Und das werden die Ergenzinger am Ende am Schmerzlichsten vermissen. Der brauereieigene Getränkemarkt wird von Rolf zwar weitergeführt, aber eben nicht mehr mit seinen Bieren. Eine Lizenzabfüllung kommt für ihn nicht in Frage, denn was nicht aus seinem Sudhaus kommt, trägt auch nicht seinen Namen.

Mein Fazit: Ein Dank meinerseits, auch im Namen aller Freunde deiner Biere, für deine jahrelange Arbeit im Dienste des guten Gerstensafts!

Brauwerk Baden – Eine Traditionsbrauerei zieht um

Brauwerk Baden

Neulich hat es mich doch tatsächlich biertechnisch nach Baden verschlagen. Ziel war die Besichtigung einer aus der Stadt ausgelagerten, komplett neu gebauten Brauerei mit alter historischer Geschichte. Fündig wurde ich in Offenburg beim…

Die Wurzeln der ehemaligen Kronenbrauerei Offenburg gehen bis zur Gründung 1847 in Oberkirch zurück. 1928 wurde der Standort nach diversen Brauereiübernahmen nach Offenburg in die Zeller Straße verlegt und dort bis 2017 auch betrieben. 1928 wurden schon beachtliche 80.000 hl Bier gebraut und vertrieben. Vor Verlegung der Brauerei waren es ca. 100.000 hl.

Über die Jahrzehnte wuchsen die Wohnhäuser immer näher an die Brauerei heran. Und mit den Wohnhäusern die Bewohner, die sich einen Mist scheren, wer denn zuerst da war. Das ist typisch deutsch: in die Stadt ziehen und dann über Lärm weinen (Anmerkung Autor). Das Brauen wurde dadurch und durch die gesetzlichen Auflagen hinsichtlich des Bundesemissionsschutzgesetzes, das die Lärm- und Geruchsbelästigung sowie die sonstigen Animositäten der schützenswerten und nicht schützenswerten Anwohner regelt, immer schwieriger. Des Weiteren mussten die vorhandenen, in die Jahre gekommenen Anlagen teils auch mit deckungsbeitragsschwachen Zweitmarken ausgelastet werden. So entschloss die Geschäftsleitung, die Brauerei außerhalb der Stadt auf dem ehemaligen Ausbesserungswerk Offenburg auf ca. 18.000m2 anzusiedeln. Fernab von quengelnden Nachbarn und übereifrigen Verwaltungsbeamten.

Die Planungsaufgabe wurde dem Chefbraumeister Herrn Nauhauser übertragen. Herr Nauhauser hat seine Brauerlehre bei der Schloßbrauerei Neunkirch im Saarland absolviert und den Dipl. Braumeister in Weihenstephan gemacht. Danach ging es über Steinecker, der Flensburger Brauerei bis nach Sizilien zur Birra Messina. In Italien arbeitete er für Heineken bis es ihn dann nach einem Zwischenstop in Dessau nach Offenburg verschlug. Seit 2002 ist er im Dienste der Kronenbrauerei. Herr Nauhauser beauftragte als Generalunternehmen die Firma Esau & Hueber. Die Planungszeit hierfür erforderte sage und schreibe 5 Jahre. Das alte Sudhaus…

…wurde durch ein wunderschönes 50 hl Edelstahl Sudwerk von Esau & Hueber ersetzt. Insgesamt wurden in das Vorzeigeprojet 12 Mio €, davon 3 Mio. € in technische Anlagen, investiert. Der Gär- und Lagerkeller wurde mit 12 Tanks à 150 hl und 3 Tanks à 50 hl aus dem Hause Rieger ausgestattet.

Im Vergleich zum alten Gärkeller ein Traum vom rationalen Arbeiten…

Filtriert wird noch ganz klassisch mit dem Schichtenfilter…

… gefolgt von einer neuen KZE für die mikrobiologische Sicherheit…

Herr Nauhauser hat auf alle Details geachtet. Von der optimalen Größe der Gullis bis zur Überprüfung der Schweißnähte. Die Liebe zu technischen Details macht das Projekt fast einzigartig. Die Herstellung der 10.000 hl feinster Bierspezialitäten findet auf 400m2 statt, für die Logistik werden 800m2 Hallenflächen benötigt.

Mit integriert ist eine wunderschöne Gastro mit Biergarten. Direkt am Fahrradweg von Gengenbach gelegen  ein idealer Ort, die Köstlichkeiten zapffrisch zu genießen. Das naturtrübe Lager Pils und das Export haben es mir echt angetan. Super lecker.

Mein Fazit: Brauwerk Baden – immer eine Bierreise wert. Cheers.

Spitzbuckel – Der Bierhybridbrauer aus der Ortenau

Spitzbuckel

Im Rahmen des diesjährigen Biersommeliertreffens der Sektion Baden-Württemberg haben wir uns einen ganz speziellen Bierplatz in der Ortenau herausgesucht. Und zwar die Brauwerkstatt Spitzbuckel. Dort angekommen hat uns die Cheffin Helga Bäuerle sehr herzlich mit einem zünftigen Willkommensschluck empfangen. Und zwar mit ihrem aus den Früchten der Edelkastanie gebrauten Doppelbock. Die Kastanien hat sie im umliegenden Schwarzwald selber gesammelt, von Hand geschält, geröstet und im Sudhaus mit eingemaischt. Mit 8,2 % Alkohol die ideale Begrüßung für einen durchgefrorenen Brauer wie mich.

Die Brauwerkstatt findet ihr im Laufbachtal, im Laufer Ortsteil Glashütte, wunderschön an einem kleinen Stausee gelegen. Nach dem leckeren und stärkenden Begrüßungsschluck ging es auch gleich in die Brauerei. Dort hat uns ihr Mann Thomas, der Brauer im Haus, fachkundig durch seine Brauerei geführt.

Thomas hat sich mit seiner 500 Liter Polsinelli Anlage 2018 einen Traum erfüllt. Als gelernter Betriebswirt hat Thomas, nach 30 Jahren Maloche in der Pharmaindustrie als Logistik- und Customer Service-Mitarbeiter, mit Helga 2016 den Biersommelier gemacht und vor Begeisterung seinen Job mit dem Ziel gekündigt, ein Bier – Sabbatical – Jahr zu machen. Chapeau. Gebraut wird mit 0,3 °dH Wasser aus der eigenen Quelle, abgeläutert wird im blue light Läuterbottich…

Thomas ist, was das Brauen anbetrifft, Autodidakt. Unterstützt wird er von Alex Schneider, seines Zeichens Braumeister bei der Ulmer Brauerei Bauhöfer in Renchen, von dem er sich auch manches „abgeschaut“ hat. Von dort bezieht er auch seine Hefen und lässt diese in den Gärtanks fleißig vergären…

Im Sudhaus steht auch eine Brennerei, was zu bürokratischen Klimmzügen geführt hat. Denn stehen in einem Raum ein Sudhaus und eine Brennerei, wird es den Zollbehörden mulmig. So hat er zum Einen die Auflage, nicht gleichzeitig zu brennen und zu brauen und zum Zweiten muss die Brennerei und die Brauerei deutlich mit einer weißen Markierung von einander getrennt sein. Wahnsinn…

Thomas hat schon ca. 20 verschiedenen Bierstile gebraut. Sein hehres Ziel ist es, mitten in der weinlastigen Ortenau Bier auf das gleiche Niveau wie den Rebensaft zu lupfen.

Aus diesem Grunde liebt er es, Bier-Wein-Hybride zu brauen. Für diesen Zweck hat er sich eine eigene Rebfläche mit 17 Ar und Spätburgunderbesatz angeschafft. Unterstützt wird er auch von den Winzern der Alde Gott Kellerei. Die „Spitze Alde“  braut er tatsächlich mit den Trauben seiner Spätburgunder Reben und vergärt diese mit einer Weinhefe. Sein „Alder Spitz“ hingegen wird mit seiner untergärigen Bierhefe vergoren. Als Ergebnis hat man zwei spitzen Hybride mit unglaublichen Aromen. Die zweite Gärung findet bei allen Bierspezialitäten in der Flasche statt. Mega cooler old style.

Genial ist sein eigener Hopfengarten mit sage und schreibe 12 verschiedenen Hopfensorten, die er allesamt auch bei seinen Bieren mit verwendet. Dieses Jahr kommt er trotz Corona auf 130 hl feinste Biere, die er zu je 1/3 auf Veranstaltungen, in drei Gastros und im Handel an seine Bierliebhaber verkauft. Ein Kompliment an Thomas, denn seine Biere sind alle sehr fein zu trinken und haben nicht nur mich, sondern auch unseren Brauerkollegen Christopher Wertz von der Fächerbräu in Karlsruhe überzeugt.

Mein Fazit: Bier und Wein, sehr, sehr fein. Santé.

Brauerei Ketterer Hornberg – Ketterer sind netterer

Ketterer sind netterer

Auf dem Weg zum Biersommelier-Treffen der Sektion Baden Württemberg nach Lauf bei Sasbachwalden im lieblichen Ortenaukreis, haben wir uns samstags mit Michael und seinem Schwiegersohn Philipp Ketterer im 4200 Einwohner Städtchen Hornberg verabredet. Auf dem Weg zur Brauerei geht es vorbei an der Firma….

Bei der Brauerei angekommen, haben wir uns erstmal sehr an der wunderschönen Brauereiansicht erfreut.

Leider war weder Michael noch Philipp aufgrund wechselseitiger Terminmissverständnisse zu finden. Und so klingelte meine liebe Frau an dem nebenan liegenden Wohnhaus und wartete vergebens auf Einlass, denn wir wurden vom Nachwuchs versehentlich als „Zeugen Jehovas“ verkannt. Und so ging unsere Besichtigungstour fast wie das Hornberger Schießen aus. Aber nur fast, denn dann hat uns Philipp doch noch gefunden und so ging es zugleich ins wunderschöne Sudhaus.

Ein Traum von einem Sudhaus mit 180 hl Ausschlagmenge. Philipp ist Diplom Braumeister Weihenstephan,  Betriebswirt und seit 2001 mit an Bord. Als gebürtiger Hornberger hat er sich in die mittlere Ketterer-Tochter verliebt und sie geheiratet. Anke ist Getränke-Betriebswirtin, also beide vom Fach. Seinen Hochzeitstag kann er sich gut merken, denn dieser ist auf den 13.9.2002 gefallen, das 125 jährige Jubiläum der Brauerei. Das Kaspar Schulz Sudhaus wurde 2002 generalüberholt, ein Brauertraum. Der gute Aloisius Vormaischer von Braukon darf natürlich nicht fehlen…

Schwiegervater Michael hat schon immer auf die perfekte technische Ausstattung seiner Brauerei geachtet. Und so hat er als einer der Ersten im Rahmen der Sudhaus  Modernisierung einen Schoko eingebaut. Mit diesem wird nicht nur die Würze weniger thermisch belastet, sondern auch die Energieeffizienz erheblich gesteigert. Außerdem war er auch Vorreiter in Sachen Hackschnitzelanlage zur energieoptimierten Versorgung der Brauerei. Chapeau. Nachhaltigkeit pur.

Gebraut wir mit 1,1 dH aus der eigenen Quelle. Somit ist eine kostspielige Wasserenthärtung nicht notwendig. Gearbeitet wird mit dem Brewmaxx System von Proleit. Die Gär- und Lagerkeller sind ebenfalls top modern und super schön in die alten Keller integriert…

Geschlaucht wird vom Gärkeller in den Lagerkeller mit Restextrakt. Auf lange kalte Gär- und Lagerzeiten legt Michael besonderes Augenmerk.

Filtriert wird mit dem altbewährten H+K Kerzenspaltfilter.

Erst kürzlich in Betrieb genommen wurde die Erweiterung der Lagerhalle. Auch wurde die Optimierung der Logistik vom Ende her gedacht und perfekt gelöst. Beliefert wird von Rottweil, Offenburg, Freiburg bis Villingen Schwenningen in ca. 50km Umkreis.

Die meistverkaufte Bierspezialität ist in jüngster Zeit das superschlanke Pils, gefolgt vom süffigen Export und dem Hefeweizen, das mit seinem sehr leckeren, unterschwelligen Bananenaroma glänzt. Die Biere zeichnen sich allesamt durch einen extrem geringen Trinkwiderstand aus… Soooo arg lecker!!!

Mein Fazit: Ketterer sind wirklich leckerer. Vielen Dank für Eure super nette(re) Gastfreundschaft.

Golem Brewhouse Nikosia – Saaz ganz nah

Nach meinem Besuch auf der türkischen Seite von Nikosia bei der OOs Craftbrewing wollte ich natürlich auch einen Schlenker auf die griechische Seite machen. Mitten im wunderschönen türkischen Teil der historischen Altstadt geht es auf der Ledra Street über die grüne Grenze, die die Stadt teilt. Völlig unproblematisch, Personalausweis und Impfnachweis vorzeigen, that´s it. Nikosia hat insgesamt ca. 300.000 Einwohner. Auf der türkischen Seite gibt es eine Craftbeerbrewery und auf der griechischen Seite gleich Zwei. Nach der Grenze biegt ihr einfach in die erste Gasse links ein und dann erreicht ihr in 2 Minuten, direkt an der Demarkationslinie gelegen, das Golem Brewhouse.

Dort hat uns Michael Stourac Cyprus style mäßig total relaxed begrüßt. Er ist waschechter Tscheche und auf den Ruf der Liebe seiner Frau vor fünf Jahren nach Zypern gefolgt. In seinem vorherigen Leben war er IT-ler und hat sich nun ganz jungfräulich im Juli 2021 seinen Lebenstraum einer eigenen Brauerei erfüllt.

Und das hat er richtig gut gemacht. Auf dem Dach seines neuen großzügigen Kühlhauses, das er als Lager- und Ausschankkeller nutzt, hat er seine Zweiwalzenschrotmühle installiert und lagert sein Malz. Die Rohstoffbeschaffung ist im südlichen Teil von Nikosia wesentlich einfacher als im nördlichen Landesteil, denn die Insel gehört ja bekanntermaßen im Ganzen seit 2004 zu Europa. Und das bedeutet freier Warenverkehr für die griechisch Zyprioten. Der nördliche Landesteil gilt aber leider immer noch als türkisch besetztes Gebiet ohne internationale staatliche Anerkennung und unterliegt somit einem schmerzhaften Handelsembargo. Das bedeutet für meine Brauerfreunde auf beiden Seiten: Hopfen und Malzbeschaffung mal griechisch zypriotisch leicht, mal türkisch zypriotisch sehr umständlich. Das Malz bekommen beide aus Deutschland, aus dem Hause Weyermann, das international bei den Craftbreweries durch seine qualitativ sehr hochwertigen, reichhaltigen Spezialmalzsorten schon fast eine Monopolstellung hat.

Michael hat sich eine nagelneue Ss Brewtech Anlage erworben, nachdem er den Innenraum tipitopi hergerichtet hat.

Die elektrisch beheizte Brauanlage bietet alle features, die sich ein Kleinbrauer wünscht. Das Preis-Leistungsverhältnis passt bei dieser  Brewtech Anlage optimal, denn diese Anlagen sind sehr kostengünstig zu erwerben. Zudem ist die Edelstahlverarbeitung bei dieser Anlage, im Gegensatz zu manch anderen aus Fernost, ohne Ecken und Kanten verarbeitet. Das Gleiche gilt für die ansehnlichen Gärtanks. 

So hat sich Michael alle notwendigen Voraussetzungen erfüllt, erstklassige Biere zu brauen. Und die braut er vom Allerfeinsten. Das hätte ich in der Levante bei einem Kleinstbrauerkollegen so nicht erwartet. Der Michael ist ein echter Braunerd und hat sich autodidaktisch viel Wissen rund um die Braukunst angeeignet. Respekt. Seine drei Biersorten IPA, Wheat- und Lagerbier, die er alle mit tschechischem Saazer Hopfen würzt, schmecken super sauber und haben eine sehr hohe drinkability. Das Wheatbier mit 60% Weizenmalzanteil vergärt er mit Fermentis Trockenhefe SafAle S-33. Mein Lieblingsbier, das Lager, vergärt er ganz klassisch mit Fermentis SafLager 34/70, der wohl weltweit am weitesten verbreiteten Bierhefe für untergärige Biere. Seine Biere gibt es außer Haus nur in den super stylischen cans…

…für die Gastros gibt es Fassbier. Neben dem Brauhaus lädt zu späterer Stunde ein bieriger Biertreff für Studenten und durstige Zeitgenossen in gemütlicher historischer Ambiente zum Biertrinken ein. Das Draftbeer gibt es „online“ direkt aus dem Kühlhaus von Michael. Ein musthave für alle Bierlover.

Nach der Besichtigung haben wir uns auf der Terrasse vor dem Brauhaus und neben der Grenzlinie entsprechend an Michaels Köstlichkeiten erfreut und erfrischt.

Mein Fazit: Golem Lager, the best beer in town. Cheers.

Brauerei Härle – Die Patchwork Familienbrauerei

Brauerei Härle

Heute hat es mich mit Tina ins ferne Oberschwaben nach Leutkirch in die Brauerei Härle verschlagen, um uns in dieser Vorzeigebrauerei in die Welt der Nachhaltigkeit praktisch einführen zu lassen. Dort hat uns der Brauereichef Gottfried Härle und seine Geschäftsführerin Esther Straub vor dem Brauereikontor stilecht empfangen. Die beiden sind echt ein dreamteam. Gottfried hat in seiner Jugend als Umwelt- und Friedensaktivist und erster Kriegsdienstverweigerer im Ort nicht ganz branchenüblich den Weg des Volkswirts eingeschlagen. Und diese DNA findet in seinem Tun bis heute an jedem Tag seinen Ausdruck in der Brauerei. Esther, die Nachbarstochter, die schon in jungen Jahren regelmäßig in der Brauerei gejobbt hat und mit dieser aufgewachsen und eng verwurzelt ist, hat der Gottfried zu seiner Geschäftsführerin erkoren…

Los ging es im Sudhaus, Baujahr 1954 mit 60 hl Ausschlagmenge. Ausgestattet wurde das Schmuckstück, das vor ein paar Jahren mit einem Edelstahlinnenleben modernisiert wurde, mit dem Schoko Würzekochsystem. Und das ist nur ein Baustein des Nachhaltigkeitspioniers Gottfried. Mit dem Schokosystem spart er seit vielen Jahren 20% Energie beim Würzekochen. Und bei ca. 32.000hl feinen Bierspezialitäten und über 10.000hl Seezüngle kommt da ganz schön was zusammen…

Seit seinem Eintritt in die elterliche Brauerei in den 1980er Jahren verfolgt er als einer der ersten Biobrauer in Deutschland aus vollster Überzeugung den Weg der Nachhaltigkeit. 1994 hat er durch Mithilfe der Uni Hohenheim seine erste Ökobilanz veröffentlicht, vor 18 Jahren mit seinem ersten Biobier „Landzüngle“ vom Fass Biobiergeschichte geschrieben. Was heute langsam in den Köpfen der Brauer vor sich hingärt, hat Gottfried schon immer gelebt. Die Kälteanlage, ein weiterer Baustein der ressourcenschonenden Bierherstellung, wird mit 100% Eigenstrom aus einer der sechs Photovoltaikanlagen der Brauerei versorgt. Der Eigenstromanteil liegt bei 20%, der Restbedarf der Brauerei wird mit zugekauftem Ökostrom abgedeckt…

Selbstredend werden die wunderschönen historischen, denkmalgeschützten Gebäude  ausschließlich mit LED beleuchtet. Die Brauereiflächen werden nicht versiegelt, die Gebäude begrünt. Regionaler Rohstoffeinkauf ist seit 20 Jahren gelebte Selbstverständlichkeit. Und dann ging es gleich zum Herzstück der Nachhaltigkeit weiter. Über das…

…direkt zur Hackschnitzelanlage. Diese hat er schon 2008 zusammen mit dem Wärmeverbundnetz inkl. Gebäude zur Beheizung aller Brauerei- und Wohngebäude, nicht nur auf dem Brauereiareal, für über 1 Mio € gebaut. Beheizt wird mit Ästen, Rinde und übriggebliebenen Holzresten der Baumfällarbeiten aus den Wäldern in der Region.

Und dann ging es Richtung des halb versunkenen Gär- und Lagerkellers…

Achtung, Achtung…

Das super kompakte Schmuckstück ist mit Tanks der Firma Gresser und Gross geschmückt. Gearbeitet wird im Zweitankverfahren. Erst vergoren und dann mit Restextrakt in die Lagertanks geschlaucht…

Fast alle der 15 all year round Bierspezialitäten finden ihren Weg unfiltriert in die Kehlen der Härle Fans. Das erspart nicht nur der Umwelt die Kieselgurentsorgung und dem Geldbeutel die Filtrationskosten, sondern beglückt die Bierlover mit köstlichem, naturbelassenen Gerstensaft. Und so heißt es: Filter geschlossen…

Mein Fazit: bierforfuture – So lecker kann Nachhaltigkeit sein. Danke für die „nachhaltig“ beeindruckenden Einblicke! Cheers.